Zwei Frauen die sich aneinander anlehnen. Portrait Dr. Wolfgang Krüger und Ralf During

Wie tragen Freundschaften zu einem gelungenen Leben bei?

Für diesen Artikel haben wir mit dem Psychotherapeuten und Autor Dr. Wolfgang Krüger und dem Autor und Kommunikationsexperten Ralf During gesprochen. Beide sind sich einig: Es braucht Freundschaften für ein gelungenes Leben. Wie das geht mit den guten Freundschaften und welche Erfahrungen die beiden gemacht haben, lest ihr im Artikel.

Freundschaft, das ist die Verbindung zweier Menschen, die auf gegenseitigem Vertrauen, auf Wertschätzung und Unterstützung beruht. Aber was macht eine Freundschaft so besonders und warum sind diese Verbindungen, die nicht durch ein Verwandtschafts- oder sexuelles Verhältnis definiert werden, so wichtig für ein gelungenes Leben?

Nach Aristoteles gibt es drei Bedingungen für Freundschaft: Es sind Wohlwollen, Gegenliebe und die Tatsache, dass dieses Wohlwollen und die gemeinsame Liebe auch für beide erkennbar sind. Der Philosoph und Denker der Antike hat außerdem von Freundschaften des Nutzens und der Lust sowie den vollkommenen Freundschaften unterschieden – heute würde man diese wohl eher als Herzensfreundschaften, Vitamin-B-Beziehungen und Alltagsfreundschaften unterscheiden, so wie es Dr. Wolfgang Krüger in seinem Buch „Freundschaft: beginnen – verbessern – gestalten“ tut. Die Herzensfreundschaften sind von Sympathie und emotionaler Anziehung geprägt, es sind Verbindungen, in denen man sich alles erzählen kann und sie besitzen eine absolute Verlässlichkeit. Und genau um diese Freundschaften geht es uns.

Freundschaft als Basis fürs Lebensglück

Ich treffe den sympathischen tiefenpsychologischen Psychotherapeut Dr. Wolfgang Krügeraus Berlin zum Gespräch. Schnell wird klar, er ist einer, der seine Freundschaften besonders pflegt. So spricht er ein- oder zweimal die Woche regelmäßig mit seinem engsten Freund und ist ständig mit seinen Herzensmenschen zu unterschiedlichen Themen im Austausch. Er ist fest davon überzeugt, dass gelungene Freundschaften DAS Fundament für ein gelungenes Leben sind: „Freundschaften, in denen wir ein klein wenig mehr Abstand haben als in Liebesbeziehungen, sind die Basis für ein ruhiges Lebensglück.“

Er erzählt mir auch, dass es gerade bei engen Frauenfreundschaften zu Kränkungen und Konflikten kommen kann, oftmals dann, wenn Lebensveränderungen stattfinden. Aus seiner langjährigen Arbeit weiß er: Frauen reagieren besonders, wenn es Retraumatisierungen gibt, die sich in einer Freundschaft wiederholen. Herr Dr. Krüger erklärt: „Meistens ist den Freundschaftspaaren nicht klar, dass es sich um verdeckte Konflikte oder alte Themen handelt. Das Glückliche ist, dass man es ein klein wenig besser aufarbeiten kann als in Partnerschaften, weil die Abhängigkeit nicht ganz so groß ist.“

Füreinander da sein – Verlässlichkeit zeigen

Herr Krüger erzählt mir die Geschichte von einem engen Freund, der ihn nachts in einer Notsituation als er mit der Feuerwehr auf dem Weg ins Krankenhaus war, anrief und seine Hilfe brauchte. Von da an hatte er sein Telefon auch Nachts für ihn bereitliegen und sagte ihm, du bist jetzt die Nummer 1, ich bin für dich da. Später als alles überstanden war, sagte ihm der Freund: Jetzt sind wir keine Freunde mehr, wir sind viel mehr Brüder geworden. Diese kleine Geschichte zeigt, wie wichtig Verlässlichkeit in einer Freundschaft ist.

Da wir einen feinen Generationsunterschied zwischen uns haben, möchte ich von Herrn Krüger wissen, ob sich Freundschaften im Laufe der Zeit verändert haben? „Freundschaften sind im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden. Es hat sich verändert, was wir einander erzählen und damit wurde auch die Grundeinstellung ‚das bleibt in der Familie‘ über Bord geworfen. Mittlerweile breitet man sein intimstes Innenleben vor dem anderen aus. Wir leben in einer Zeit, in der Freundschaften eine so große Rolle spielen wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.“

Innere Lebendigkeit und ein Angebot

Mich interessiert natürlich brennend, wie ich eine gute Freundin, ein guter Freund werde. Der Psychotherapeut erklärt: „Zunächst einmal brauche ich eine gute Freundschaft mit mir selbst, Zeiten in denen ich zur Ruhe kommen kann und ich muss mir die Frage stellen: Wer bin ich und was sind die Ziele meines Lebens? Dazu gehört auch die Überlegung, was wird später auf meinem Grabstein stehen. Wir brauchen diesen inneren Resonanzboden, auf dem wir uns spüren. Dieser Boden ist dann ein Angebot für andere, dass man darüber reden kann. Ich sage immer, Schnarchnasen haben nie gute Freundschaften, denn es bedarf der inneren Lebendigkeit. Und auch das nötige Selbstbewusstsein sowie ein großes Interesse am anderen. Ich habe in der Coronazeit immer wieder Freunde angerufen und habe gefragt, seid ihr glücklich? Wollt ihr über etwas reden? Denn Freundschaften leben auch davon, wenn wir innerlich pulsieren.“

Gemeinsame Erlebnisse schaffen

Das Wichtigste in Sachen Freundschaften ist jedoch, dass wir uns dafür Zeit lassen. „Gerade in der Zeit zwischen 35 und 45 Jahren fallen Freundschaften ohne dass wir es wollen, etwas hinten runter, weil Kinder, Familie und Karriere uns viel Zeit kosten. Ich nehme mir viel Zeit für Freundschaften und setze mich auch hin und überlege, was kann ich tun. Ich schreibe auch einmal im Jahr meinen Freunden einen Freundschaftsbrief.“, erklärt der langjährige Therapeut.

„Freundschaften benötigen gemeinsame Erlebnisse und dafür muss man einiges tun.“

Dr. Wolfgang Krüger

Für den Autoren, der sein Wissen in vielen Büchern teilt, ist vor allem die gemeinsame Basis wichtig, das kann Singen, Sport oder eine gemeinsame Leidenschaft sein. Ein schöner Tipp ist es auch, gemeinsam Fotoalben anzuschauen und sich Geschichten dazu zu erzählen. Und manchmal tut es besonders gut, fremde Menschen kennenzulernen. Herr Krüger erzählt mir, dass er sich bei großen Festen gern mit etwas zu essen in einen Sessel setzt und schaut, wer eine besondere Anziehung auf ihn hat. Dann spricht er diese Person an.

„Wir haben das Ideal, dass die Freundschaft wie ein Fels ist. Wir wissen, innerhalb von 7 Jahren scheitern die meisten unserer Freundschaften. Wir sind alle wie eine Art Durchgangsbahnhof. Selbst die Herzensfreundschaften haben eine Durchschnittsdauer von über 30 Jahren. Ansonsten gilt, dass wir in Freundschaften immer eine große Veränderung haben und daher ist es wichtig, dass wir uns beständig auf den Weg machen neue Freunde zu finden.“

Dr. Wolfgang Krüger

Inneres Erleben und äußeres Umfeld

Ralf During ist langjähriger Coach und Kommunikationsexperte und gibt Denkanstöße, wie man aktiv mit anderen Personen in Kontakt kommen kann. In seinen Büchern schreibt er über das Geheimnis, anderen im Gedächtnis zu bleiben und so den Grundstein für langanhaltende Freundschaften zu legen. Am 20.09. ist sein Buch „Freunde finden und behalten“ erschienen. In dem Buch geht es vor allem darum zu erkennen, wie wir selbst mit uns umgehen oder alternativ umgehen könnten, um uns selbst und anderen die FreundIn zu sein, die wir uns wünschen.

Der Kommunikationsexperte sagt: „Freundschaften sind für mich die Basis eines gelungenen Lebens. Sie sind der Kit, der mein inneres Erleben und das äußere Umfeld zusammenhält.“ Der Anreiz zum Buch, so sagt er, ist durch eine Freundin entstanden, die immer wieder auf der Suche nach Freundschaften war, aber nie wirklich Freunde finden konnte. Das hat ihn selbst zum Nachdenken gebracht.

Ich wollte im Gespräch mit Ralf vor allem wissen, was er heute in Sachen Freundschaft besser oder anders macht, nachdem er sich so intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. „Ich habe meine Art, mit Menschen zu reden, verändert. Oft schweifen wir in Gesprächen ab und nehmen uns selbst zu wichtig. Ich habe gelernt, im Umgang mit Menschen auch wirklich bei den Menschen zu bleiben. Erst wenn Rückfragen kommen, erzähle ich von mir. Ich gehe nicht über den anderen hinweg und reiße das Gespräch an mich.“

Miteinander, statt eine Lücke zu schließen

Besonders wichtig in Freundschaften ist gegenseitiges Vertrauen. Darauf aufbauend geht es darum das Miteinander so zu gestalten, dass es um wechselseitige Bedürfnisse und Interessen geht, denen wir im Austausch gerecht werden. Es geht also weniger darum eine Lücke zu schließen, sondern um eine stabile Basis gemeinsamen Lebens. Ralf sagt: „Das Grundbedürfnis nach Verbundenheit sollte erfüllt sein.“

Im Gespräch wird deutlich, Freundschaften sind so wichtig, weil wir uns erst im Austausch mit anderen lebendig fühlen. Aus der Reaktion anderer heraus können wir uns oft erst selbst erkennen. Wir brauchen diese Reaktionen, um uns selbst bewusst zu werden.

„Es ist ein Ur-Bedürfnis, dass wir ein Teil von etwas sein wollen. Freunde sind nicht nur Rettungsanker, sondern ein stabiler Hafen für diese Irrfahrt, die manche Leben nennen.“

Ralf During

Und manchmal passiert es auch, dass wir Menschen vertreiben, weil wir uns selbst boykottieren. Wir blockieren uns selbst und tragen die Dinge, die uns am Glück hindern, nach außen. Was noch abschreckend auf andere wirkt? Wenn wir jeder Wahrnehmung ein persönliches Urteil hinzufügen, denn das schränkt die eigene Welt und die Sicht darauf ein. Und wenn wir uns über alles und jeden ärgern und sorgen..

„Das, was mich am anderen stört, ist oft ein Teil von mir, den ich ablehne. Deshalb ist es wichtig, Menschen so zu belassen, wie sie sind.“

Ralf During

Das Energiekonto

Das Geheimnis anderen Menschen im Gedächtnis zu bleiben, ist die Liebe zu den Menschen und die beginnt, so erklärt Ralf, immer bei uns selbst. „Es geht um das gute Gefühl bei sich selbst sein zu können. Ich muss mir meiner Stärken und Fehler bewusst sein und diese anerkennen.“ Eine Freundschaft ist somit wie eine Art Energiekonto, jeder zahlt mal was ein, jeder nimmt mal etwas. Durch unsere Energie zahlen wir auf das Konto des anderen ein und schenken dem anderen unsere Energie. Menschen, die mit sich im reinen sind, ein zufriedenes Leben führen und Freundschaften nicht aus einem Mangel heraus suchen, wirken anziehend.

Die gute Nachricht: Menschen, die sich weiterentwickeln finden auch andere Menschen, die sich ihnen anschließen. Auch die Orte, die wir aufsuchen und die Gelegenheiten, die wir nutzen, entscheiden darüber, mit wem wir in Kontakt kommen und bleiben. Wichtig für unser Leben: „Wir sollten unser Glück nie an einzelne Personen knüpfen. Freundschaften kommen und gehen, um es platt auszudrücken.“

Wir glauben daran, dass die Menschen, die sich bei uns wohlfühlen und umgekehrt, die werden auch bleiben. Das sind Menschen, die an uns glauben, sich selbst lieben, aber auch mal zurückstellen und die immer bereit sind, das Leben durch die Augen des anderen zu sehen. Aber und das gilt für unser Leben generell – wir können nicht erwarten, dass sich die Dinge nicht verändern. Wir müssen auch eine Art Freundschaft mit der Veränderung schließen – denn alles und wir selbst sind ständig in Veränderung. Und das ist auch gut so, denn die Veränderung hält uns und auch die Freundschaften in unserem Leben lebendig.

Auf die Freundschaft!


Titelbild @ Megan Ruth
Portrait Dr. Krüger @ Gerald Wesolowski
Portrait Ralf During @ Kerstin Bulligan


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