Marie-Sophie Kiepe ist ehemalige Tänzerin, Physiotherapeutin und Komplementärmedizinische Praktikerin. Ganz Berlin lässt sich von ihr behandeln. Wir wollten von ihr wissen, warum Bewegung so wichtig ist für Selbstfürsorge.
Marie, wie sorgst du gut für dich selbst?
Jeden Tag aufs Neue beginne ich eine Beziehung zu mir selbst, indem ich in Kontakt mit meinen Bedürfnissen trete.
Was fehlt den meisten KlientInnen, die zu dir kommen?
Da ich meine Arbeit holistisch gestalte, gibt es kein „meistens“. Jede/r KlientIn kommt mit seiner/ihrer eigenen, individuellen Geschichte.
Andersherum formuliert: Für mich geht es nicht so sehr darum, dass etwas fehlt – es geht nicht um die Perspektive des Mangels. Im Gegenteil: Es geht für mich stets darum, sich einer in dem Moment erlebten Situation anzupassen. Ich suche Antworten auf die Frage: Was ist Gesundheit´ (Salutogenesis)? Und nicht auf die Frage: Was ist Krankheit (Pathogenesis)?
Da ich mich in den vergangene Jahren auf Frauengesundheit spezialisiert habe, sehe ich viel: Stress und Trauma rund um das Thema Weiblichkeit und die Geschlechtsorgane der Frau.
Was macht deine Arbeit besonders?
Wahrnehmen, fühlen, anpassen und/ oder loslassen.
Was haben Bewegung und Selbstfürsorge miteinander zu tun?
Es geht um Emotionen, die in konstanter Bewegung sind. Diese können über Bewegung ausgedrückt, kanalisiert oder uns auf diese Weise zurück in ein Gleichgewicht bringen.
Warum ist Selbstfürsorge wichtig und richtig?
Wenn du auf deine Gefühle achtest, kannst du durch sie sehr viel über dich erfahren und so noch besser für dich sorgen. Das bedeutet nicht, dass du deine Emotionen in jeder Situation rauslässt. Es heißt vielmehr wahrzunehmen, was da ist. Und dann in Ruhe und vielleicht mit etwas zeitlichem Abstand zu überlegen, was du daraus lernen kannst.
Was macht Selbstfürsorge mit unserer Energie?
Fürsorglich mit dir umzugehen bedeutet, dich selbst mit Freundlichkeit und Empathie zu behandeln. Es bedeutet die Beziehung zu dir selbst positiv zu gestalten, dich kennenzulernen, loszulassen, was dich herunterzieht und deinen nährenden Umgang mit deinen Gedanken und Gefühlen zu erlernen. Es bedeutet Beziehungen zu führen, die auf Respekt basieren. Es bedeutet auch, Grenzen zu setzen, dir deine Bedürfnisse zu erfüllen und dein Leben insgesamt so zu gestalten, dass du dich wohl fühlst und aufblühen kannst.
Wie lernen wir die Zeichen des Körpers zu erkennen und zu deuten?
In dem wir unserem Körper zuhören und seine (non-verbale) Sprache erlernen. Ein Beispiel: Geht mein Körper in einer bestimmten Situation auf, dehnt er sich aus, wird er weit? Oder zieht er sich zusammen? Wenn er aufgeht, fühle ich mich wohl, traue ich mich, zu expandieren und mich zu zeigen? Oder ziehe ich mich aus Unwohlsein oder Angst zusammen und mache ich mich klein?
Warum fällt es vielen so schwer in Verbindung mit dem Körper zu sein?
Das ist eine sehr komplexe Frage, deren Antworten unheimlich weit reichen. Ein Aspekt könnte sein, dass unser Bildungssystem darauf ausgerichtet ist, dem Intellekt mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Körper. Zudem orientiert sich unsere westliche humanistische Medizin an einem vermeintlich goldenen Standard, demnach Körper und Geist getrennt voneinander betrachtet und leider auch behandelt werden.
Ist Berührung ein essentieller Bestandteil von Selbstfürsorge und wenn ja, warum?
Berührung ist der erster Sinn, den wir Menschen im Mutterleib entwickeln. Sie ist essentiell. Berührung ist die Ur-Form der menschlichen Kommunikation, Ausdruck des Inneren und die Sprache der Menschlichkeit. Im Alltag übersehen wir all zu oft die Überlebenswichtigkeit und heilsame Kraft der Berührung. Dabei brauchen wir all unsere Sinne, um ganz Mensch zu sein. Vor allem brauchen wir: Berührung um miteinander zu interagieren und in Kontakt mit uns selbst zu kommen. Berührung ist Heilung. Über das Fühlen lernen wir Neues. Auch, Altes und Veraltetes loszulassen, Verhaltensmuster und Reaktionen neu zu programmieren.
Unser Körper formt, drückt aus und übersetzt was unsere Seele sagen möchte. Berührung ist: Sich zu zeigen. Mitgefühl zu haben. Einander zu spüren.
Du hattest selbst eine Verletzung, die deine Karriere beendet hat. Hat sich danach dein Verständnis von dir selbst und der Art, dich um dich selbst zu kümmern verändert?
Ja. Ich wollte in meinem Körper wieder zu Hause ankommen. Altes loslassen und Neues erlernen. Meine Bedürfnisse haben sich auch auf der Reise des „Selbstkennenlerns“ verändert und dadurch der Umgang mit mir selbst. So gesehen habe ich gelernt „meine eigene beste Freundin zu werden“.
Über Marie Sophie Kiepe:
Marie-Sophie Kiepe ist eine komplementärmedizinische Praktikerin, Autorin und Wohlfühlschöpferin, die von der nonverbalen Heilkunst fasziniert ist. Nachdem eine Knieverletzung Sie daran hinderte, ihre Karriere als professionelle Balletttänzerin fortzusetzen, begann Sie, die intrinsische Tendenz des Körpers zur Selbstheilung zu erforschen. Sie hat Physiotherapie (BSc), Osteopathische Medizin (MSc) und Public Health (MPH) studiert. Zudem ist Sie eine international lizenzierte GYROKINESIS® und GYROTONIC® Trainerin und hat eine Ausbildung in tibetischer Energiearbeit absolviert.
Titelbild @ Milan Popovic via Unsplash
Portrait Sophie-Marie @ Sebastian Donath
Das klingt nach einem sehr schönen Ansatz, mit dem Körper zu arbeiten. Das Interview hat mich sehr angesprochen. Bisher habe ich einige Zeit lang Krankengymnastik hinter mir und ich spüre auch, ich will noch mehr in meinem Körper ankommen, gerade jetzt, wo wieder mehr Belastung möglich ist. Danke für diese inspirierenden Worte.
Mein Vater möchte Krankengymnastik beanspruchen. Traurig zu hören, dass es so vielen schwer fällt im Einklang mit dem eigenen Körper zu sein. Ich bin gespannt wie es meinem Vater danach gehen wird.
Der Artikel von Marie-Sophie Kiepe betont die Wichtigkeit von Selbstfürsorge und Bewegung für unsere Gesundheit. Mein Onkel hatte vor ein paar Jahren einen Unfall und musste sich einer komplizierten Operation unterziehen. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu bewegen und war auf eine Physiotherapie angewiesen, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Physiotherapie half ihm nicht nur bei der Genesung, sondern lehrte ihn auch, die Zeichen seines Körpers zu erkennen und zu deuten, um seinen Körper besser zu verstehen. Die Arbeit von Marie-Sophie Kiepe in ihrer Praxis ist besonders, weil sie individuell auf die Bedürfnisse ihrer KlientInnen eingeht und ihnen hilft, ihre Gesundheit holistisch zu verstehen. Die Betonung von Salutogenese anstelle von Pathogenese ist ein wichtiger Ansatz, um sich auf das Gute zu konzentrieren, statt auf das, was fehlt. Die Arbeit von Marie-Sophie Kiepe betont auch die Bedeutung von Selbstfürsorge, um unsere Energie positiv zu beeinflussen und ein nährendes Verhältnis zu uns selbst aufzubauen.
Es ist interessant zu erfahren, dass es auch Physiotherapeuten gibt, die gleichzeitig auch Osteopathen sind. Meine Mutter sucht derzeit nämlich nach einer Praxis für Physiotherapie. Ich bin gespannt, ob es ihr danach besser gehen wird.
Toll, was Physio und Osteopathie bewirken können. Eine gute Praxis für Physiotherapien und verwandte Methoden suche ich noch bei mir. Auch ich möchte mehr in Verbindung mit meinem Körper leben!
Toll, wenn Physiotherapie helfen kann. Ich finde immer gut mehrere Ansätze zu nutzen. Ich gehe zu Physiotherapie und Yoga
Vielen Dank für dieses interessante Interview! Ich finde den Ansatz sehr schön und positiv – dass einem nichts fehlt, sondern dass man sich der Situation einfach anpassen sollte. Es freut mich, dass die Osteopathie eine solche gute Auswirkung auf den Körper hat.
Danke für dein Feedback! Das freut uns sehr. Wir sind beide große Fans der Osteopathie. Ganz liebe Grüße, Simone
Vielen Dank für das interessante Interview mit Frau Kiepe. Mein Freund hat Physiotherapie studiert und meint auch, dass ein holistischer Ansatz immer die Grundlage für die Arbeit sein soll. Das Interview hat ihn inspiriert, sich wieder um einen Job als Physiotherapeut zu bewerben. Er sucht jetzt nur noch nach dem geeigneten Arbeitgeber.
Danke für den Beitrag. Ich finde den Hinweis, dass man seinem eigenen Körper zuhören sollte sehr wichtig. Ich habe auch gespürt, dass mein Körper viel Zuwendung braucht und seit ich Krankengymnastik angefangen habe, geht es mir viel besser.