Für Janine op het Veld ist Veränderung Programm. Vor drei Jahren ist sie aus Amsterdam nach Hamburg gezogen und hat mit ihrem Deli ÆNDRÈ, das sie 2019 in Hamburg Eppendorf, eröffnet hat, neue Maßstäbe gesetzt, was pflanzliche Ernährung angeht. Nicole Reese hat Janine zum Interview getroffen.
Wir sitzen am großen Esstisch aus Holz, der den hinteren Raum des ÆNDRÈ einnimmt, Cappuccino und Wasser vor uns. Naturfarbene Lehmwände, getrocknete Feldblumen stehen in dunklen Glasvasen auf den Tisch. Die Espressomaschine zischt, Gespräche und Lachen gelangen bis zu uns nach hinten, wie die Augustsonne, die sich durch die Eingangstür und das große Fenster bricht. Themen wie Klimakrise, Plastikmüll und andere globale Dringlichkeiten scheinen an diesem schönen Ort in diesem Moment extrem weit weg und sind doch allgegenwärtig.
Was braucht es für eine bessere Welt?
Janine: Ganz viele kleine Schritte, die zusammen zum großen Ganzen beitragen. Das ist es, was wir oft vergessen, da sich die Fülle der großen Themen, wie das Klima, die Plastikproblematik, das Tierwohl …, für uns alle schwer und überwältigend anfühlen. Mit vielen kleinen Veränderungen in unserem persönlichen Leben können wir jedoch auch die großen Themen verändern. Alles ist immerwährende Veränderung. Wenn man das akzeptiert und mit geht, statt im Alten bleiben zu wollen und sich gegen alles Neue zu wehren, kann man versuchen, bewusst zu dieser Veränderung, hin zu einer neuen Welt, beizutragen.
Wie kann diese Veränderung aussehen und wie gelingen?
Vor allem übers Essen, wird eine mögliche Veränderung besonders greifbar. Du bist darüber immer wieder im Austausch mit dir selbst. Ich finde es so faszinierend, dass man mit Essen gleichzeitig so viele Themen ansprechen und umsetzen kann. Über die Wahl deines Essens kannst du für dich und auch für andere sorgen. Bist du gesund, mental und physisch, triffst du bessere Entscheidungen. Entscheidungen, die gut für dich und für die Menschen um dich herum sind.
„Wenn wir das gemeinsam machen, ist nachhaltige Veränderung möglich. Veränderung beginnt mit jedem einzelnen. Für mich ist unser Essen der beste Weg, etwas beizutragen, da sich hier große, globale Themen und sehr kleine, persönliche Themen, treffen.“
Janine op het Veld
Ist aus diesem Wunsch nach einer Veränderung die Idee zu ÆNDRÈ entstanden?
Vor allem wollte ich auf eine positive Art und Weise zu einer Veränderung beitragen, die andere Menschen inspiriert und unterstützt. Immer wieder den Fokus auf das Neue zu richten und mit offenen Augen die Welt anschauen, das ist die Grundlage, der Kern vom ÆNDRÈ, was im Niederländischen ein Verb ist, und „verändern“ bedeutet. Das gelingt natürlich besonders gut übers gemeinsame Essen und einem Ort, wo Menschen zusammen kommen können. Unser Essen ist rein pflanzlich, wir verwenden keinen Zucker.
Eine gesunde und vollwertige Ernährung, die auf lokalem und saisonalem Gemüse basiert, das aus der Region rund um Hamburg kommt. Gerade haben wir auch selbst einen Garten, wo wir etwas ernten. Anfangs habe ich alle Rezepte alleine entwickelt, mittlerweile haben wir auch eine Chefköchin, Clara, die viel mit entwickelt . Ich versuche immer, auch andere Kulturen mit in die Rezepte einfließen zu lassen, so dass es eine schöne Kombination ist.
Auch Hiwet, die aus Eritrea kommt und vom ersten Tag mit dabei ist, bringt viele neue Einflüsse und Ideen mit ein. Bei den Zutaten sind wir, abgesehen von Gewürzen und Zitronen, weitestgehend regional, wobei wir immer mehr auf regionale Kräuter setzen. Momentan haben wir gerade tollen Oregano aus Deutschland, der richtig scharf ist und ein toller Ersatz für Pfeffer.
Wie würdest Du das Konzept des ÆNDRÈ erläutern?
Die größte Challenge für viele Menschen ist, dass ihnen die Zeit zum Kochen oder Einkaufen fehlt. Deswegen wollte ich ein Restaurant eröffnen, das man eher Montagmorgen oder Donnerstagmittag besucht, statt Freitagabend. Einen Ort, wo jeder rein kommen kann, und sich auch alleine hier wohlfühlt, ob in der Mittagspause oder morgens für einen Kaffee oder zum Frühstück. Ein Restaurant, wo man in relativ kurzer Zeit ein richtiges gutes Essen bekommt, aber nicht nur durch das Essen genährt wirst, sondern auch durch den Ort selbst: Durch die Musik und die ganze Atmosphäre.
Natürlich gesundes Essen, aber auch Räumlichkeiten, die sich gesund anfühlen. An den Wänden ist natürlicher Lehm, die Möbel sind schon benutzt, zum Beispiel sind die Stühle nicht neu fabriziert, sondern Vintage von THONET. Ich wollte mit dem ÆNDRÈ ein holistisches Konzept kreieren und das habe ich versucht auf allen Ebenen umzusetzen.
Hast Du Dich immer schon für Essen und Ernährung interessiert?
Zuhause hat meine Mutter immer gekocht. Ich fing damit an, als ich studierte, selbstständiger wurde und auch das erste Mal Probleme mit dem Essen bekam, da ich nicht wirklich wusste, wie ich für mich selber sorgen sollte, dazu dieser Stress vom Studium. Bis ich herausfand, dass ich Kochen richtig schön fand, mir und anderen Freude damit machen konnte. Ich merkte, wie sehr unser Essen in Zusammenhang mit all den großen Themen stand. Das war ziemlich am Anfang meines Studiums, als ich merkte, das ist ein Thema, das mich nicht mehr los lässt und vor allem ist es etwas, was ich umsetzen kann und will.
Du bist dann kurzerhand mit Deinem Freund von Amsterdam nach Hamburg gezogen, um hier deine Ideen umzusetzen?
Wir waren beide in Amsterdam sehr glücklich, aber wir hatten so stark das Bedürfnis, neue Schritte zu machen, wir wollten beide die Welt entdecken. Nur wenn du aus deiner Komfortzone gehst, was dieser Schritt absolut war, kannst du etwas anderes erfahren.
Es war für mich persönlich eine riesengroße Chance, noch mal mit einem riesigen weißen Blatt anzufangen und eine ganz neue Seite aufzuschlagen. Das war gar nicht so leicht, aber dadurch, dass ich hier in Hamburg gar nichts kannte, konnte ich ganz neu anfangen. Diese Chance hat man natürlich nicht so oft.
Über gesundes Essen das Bewusstsein der Leute verändern? Indem ihr einfach das leckerste Frühstück und Mittagessen serviert, das aus pflanzlichen Zutaten besteht?
Irgendwie schon. Veränderung fängt ja bei jedem Menschen selber an. Es gibt natürlich Menschen, die sich ausschließlich wegen des Tierschutz vegan ernähren, aber viele fangen ja bei sich an, merken, wie viel Energie sie nach einem guten vollwertigen veganen Essen haben. Und dann stellt man fest: Das ist nicht nur gut für mich, sondern auch für die Umwelt und für die Tiere.
Mir ist wichtig, dass es keinen Verzicht darstellt, sich pflanzlich zu ernähren, sondern einen Gewinn. Oft klebt immer noch an gesunden Sachen so eine Art Label, langweilig und uninteressant zu sein, was ich sehr schade finde. Gesundes Essen kann purer Genuss sein, schön aussehen und Spaß machen. Es tut uns so gut und wir haben so viel neue Energie, wenn wir gesunde Sachen essen.
Suchst du bewusst die Veränderung?
Ja, auch alleine durch andere Orte verändert sich ja was. Bei uns im Team versuchen wir immer wieder was Neues. Uns zu verbessern und auf jeden Fall immer offen zu sein für alles, was da ist. Nie damit aufzuhören, zu lernen.
Sind bereits weitere Veränderungen geplant ?
Es steht ein sehr großes Ding an. Ich habe vor einem Monat einen neuen Mietvertrag unterschrieben, im Grindelviertel. Gar nicht, weil ich einen zweiten Standort wollte, sondern weil es hier zu klein ist, vor allem die Küche. Wir haben bereits angefangen zu renovieren, und es wird echt doppelt so groß, vor allem gibt es mehr Raum für die Küche, aber auch, um Workshops zu realisieren. Wir machen immer mal was nebenbei, so haben wir die letzten Wochen einen Summer Showdown organisiert, mit Yoga und Breathwork im Park und gemeinsamen Abendessen.
All das möchten wir gern weiter entwickeln. Auch unser Workshop Selfcare Sunday, wo wir gemeinsam Frühstück gekocht haben und Selfcare Rituale gelernt haben, hat mir unglaublich viel Freude bereitet, das werden wir u.a. am neuen Ort auf jeden Fall machen. Es sind zwei Locations nebeneinander, ein Restaurant mit Küche, nebenan entsteht eine Art Studio. Für mich persönlich eine große Veränderung. Mit zwei Teams wird das nochmal eine richtig große Herausforderung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über Janine op het Veld:
Janine op het Veld ist in den Niederlanden auf einem Bauernhof aufgewachsen, hat Wirtschaft und nebenbei Ernährungswissenschaften studiert. Nachhaltigkeit hat sie sich nicht nur in Punkto Essen groß auf die Karte geschrieben, sondern auch in allen angrenzenden Bereichen so gut wie möglich umgesetzt: Im ÆNDRÈ wird Ökostrom genutzt, die Wände sind chemiefrei verputzt, soziale Gleichberechtigung ist Programm und Aufforstungsprojekte werden unterstützt. Es ist aber vor allem ihre absolute Bereitschaft, das eigene Denken zu hinterfragen und über den Tellerrand zu schauen, die inspirierend ist – abgesehen vom wahnsinnig guten Essen, das im ÆNDRÈ gekocht wird.
Du findest das AENDRE hier:
AENDRÈ
Lehmweg 31A
20251 Hamburg
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Titelbild: Portrait @ Planliebe
Food & Cafe @ Janine op het Veld
Interview Nicole Reese
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