Die Autorin Maud Renard litt unter Depressionen und Schmerzen. Eine berufliche Auszeit führte sie nach Kolumbien, wo sie mit Schamanismus und spiritueller Frauenheilkunde in Kontakt kam. Zurück in Frankreich entwickelte sie die Therapieform Emotionale Gynäkologie – ein ganzheitlicher Ansatz, der die Gebärmutter, Emotionen und Intuition ins Zentrum rückt. Im Interview gibt sie Tipps, wie wir ganzheitlich leben und schmerzfrei durch die Menstruation kommen.
Frau Renard, was verbirgt sich hinter der emotionalen Gynäkologie?
Die emotionale Gynäkologie beruht darauf, dass gynäkologische Beschwerden und Ungleichgewichte eine emotionale Ursache haben können. Diese Ursachen benennen zu können ist der Hebel zur Entschlüsselung der Beschwerden und der Beginn auf dem Weg zur Heilung.
Portrait M.Renard ©Amélie Patry
Warum ist die Gebärmutter ein wichtiges Transformationswerkzeug?
Die Gebärmutter als Organ hat keine Sichtbarkeit. Gäbe es den Begriff Gebärmutter nicht, würde man nicht über sie sprechen. In Frankreich würde eine Person, die Menstruationsbeschwerden hat, niemals sagen: „Meine Gebärmutter tut weh.“, obwohl es genauso ist. Man sagt aber sehr wohl „Mein Kopf tut weh“ oder „Meine Füße schmerzen“! Die Gebärmutter bleibt etwas, das nicht greifbar ist. In der allgemeinen Vorstellung, ist sie nützlich, sobald ein Embryo sich darin entwickelt, obwohl sie ja jeden Monat im Laufe des Menstruationszyklus da ist, über viele Jahre hinweg. Sich seiner Gebärmutter bewusst zu werden, bedeutet, sich seines Körpers wieder bewusst zu werden, sich selbst wiederzufinden. Es bedeutet, sich selbst wieder daran zu erinnern, dass man Leben in sich hat.
Wie sieht ganzheitliche Frauengesundheit aus?
Ganzheitliche Gesundheit betrachtet den Menschen in seiner Gesamtheit. In der Gynäkologie bedeutet das also, dass eine Person, die gynäkologische Beschwerden hat, ihr Körper, ihre Schmerzen und die damit verbundenen Krankheiten behandelt werden, ebenso wie ihr Immun- und ihr endokrinologisches System, das übernimmt die allopathische Medizin; darüber hinaus berücksichtigt man die Umwelt, in der die Person lebt, ihren Lebensort (die Verschmutzung dort z.B.), ihr Umfeld, ihre Arbeit, ihre Ernährung, ihren Lebensrhythmus und ihre Lebenserfahrung(en).
„Die emotionale Gynäkologie begleitet Sie bei der Begegnung mit sich selbst – damit Sie sich kennenlernen, sich infrage stellen, auf Ihre Gefühle hören können. Aber auch, damit Sie sicher fühlen können, weil Sie Ihre Grenzen kennen und Ihren Platz im Körper ebenso gefunden haben wie den auf dieser Welt.“
Maud Renard
Welche Praktiken aus dem Schamanismus, der Naturheilkunde und der spirituellen Frauenheilkunde haben in Ihnen das Gefühl ausgelöst, dass wir davon mehr in Europa brauchen?
Eine der ersten Praktiken, die mich am meisten aufgerüttelt hat, war einen Brief an meine Gebärmutter zu schreiben. Mich an sie zu wenden, wie an eine Person, bedeutete für mich, sie mit Würde zu behandeln. Dann gab es noch all die Praktiken in Verbindung mit dem Mond, Rituale bei Vollmond und der Wechsel der Jahreszeiten. Diese Praktiken machen das Unsichtbare sichtbar. Hier in Europa brauchen wir mehr Vertrauen für das Außergewöhnliche, wir sollten uns trauen, Dinge zu tun, die nicht wissenschaftlich bewiesen sind, die uns aber gut tun. Natürlich nur, sofern es uns keiner Gefahr aussetzt!
Was sind Anzeichen eines Gebärmutter-Traumas?
Jede gynäkologische Störung kann Zeichen für ein Trauma sein. Man kann es nicht verallgemeinern, denn jeder Fall ist unterschiedlich und jede Person hat eine andere Vorgeschichte. Ich bin aber trotzdem der festen Meinung, dass eine Krankheit nicht zwangsläufig ein Trauma voraussetzt! Man sollte kein Trauma schaffen, wo keines ist. Allerdings hat eine Studie nachgewiesen, dass Opfer sexueller Gewalt überdurchschnittlich oft an Endometriose, an Dysmenorrhö(en) und / oder hämorrhagischen Blutungen und an Gebärmutterfibromen erkranken.
In welchem Bereich des weiblichen Körpers können sich Traumata festsetzen?
Überall! Ich finde sie bei den Personen, die ich begleite, sowohl im Bereich der Vulva, der Vagina, der Gebärmutter und den Brüsten. Es hängt von der Vorgeschichte der Person ab, jeder Bereich / jede Zone hat eine eigene Symbolik und jede Lebenserfahrung hinterlässt Spuren in bestimmten Bereichen.
Wie wichtig ist es für Frauen, sich mit den weiblichen Organen Vulva, Vagina, Gebärmutter und den Eierstöcken auseinanderzusetzen?
Wissen ist Macht, je besser ich die Funktionen meines Körpers und meiner Organe kenne, desto besser kann ich bewusst entscheiden, was ich für meinen Körper will und was nicht, ich bin mein Körper! Die Unwissenheit über die weibliche Anatomie oder über das Funktionieren der Hormone im Menstruationszyklus, z.B., waren der Willen einer patriarchalen Herrschaft. Je weniger die Frauen darüber wissen, desto leichter ist es ihnen, die Macht über ihren Körper zu nehmen. Wieder über seinen eigenen Körper zu entscheiden, ist heute eine Form von Rückkehr zur Souveränität und Empowerment.
Welche Auswirkungen haben Emotionen auf den weiblichen Körper?
Stress und somit das Gefühl von Angst ist die Emotion, die den größten Einfluss auf den Menstruationszyklus hat. Das kann sich äußern in sehr starken prämenstruellen Symptomen, die im Alltag einschränken, in Regelschmerzen oder bei Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Ich spreche hier nicht vom Alltagsstress, sondern von chronischem Stress, der langfristig anhält und nicht weniger wird. Manchmal geht das so weit, dass die betroffene Person sich so sehr daran gewöhnt hat, dass sie es gar nicht mehr merkt, außer an den physischen Symptomen.
Wie wichtig ist es, dass wir lernen unsere Emotionen klar zu benennen?
Dass wir uns unserer Gefühle klar sind, ist ebenso dringend notwendig, wie uns unseres Körpers wieder zu bemächtigen– für unsere Gesundheit und für unser Wohlbefinden. In unserer Gesellschaft werden Gefühle sträflich vernachlässigt: wir verstecken sie, ersticken sie, vermeiden sie oder wir leben sie extrem aus. Manchmal erkennen wir nicht einmal, dass ein körperliches Empfinden eine Emotion ist…. Eine Emotion zu benennen, bedeutet, dass sie existiert, es erlaubt uns anzuerkennen, was wir fühlen und dies dann auch annehmen zu können.
Was können wir tun, um eine schmerzfreie Menstruationen zu erleben?
Bevor es um Emotionen geht, sind Umwelt und Ernährung zwei Faktoren, die einen sehr großen Einfluss auf Menstruationsschmerzen haben. Es hilft bereits, wenn man eine Woche vor und während der Menstruation auf entzündliche Lebensmittel wie Kaffee, Tee, Zucker und Alkohol verzichtet. Die Umwelt ist ebenfalls ein Faktor, verschmutzte Luft, Wasser und Gemüse schleusen endokrine Disruptoren ein, die den Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht bringen und somit Schmerzen auslösen können. Was die Emotionen betrifft, so sollte man eine gute „emotionale Hygiene“ pflegen, heißt, seine Emotionen zulassen und ausdrücken und zwar während aller Phasen des Zyklus (nicht nur während der Menstruation!). Kurz gesagt: seine Emotionen nicht zu unterdrücken!
Viele Frauen kämpfen mit PMS, dem prämenstruellen Syndrom. Wie können wir dem Syndrom ganzheitlich begegnen?
Man muss wissen, dass das prämenstruelle Syndrom ein hormonelles Ungleichgewicht der Hormone Progesteron und Östrogen ist, das die unangenehmen Symptome vor der Menstruation verstärkt. Außerdem sollte man wissen, dass es mehrere Arten des PMS gibt, es kann ein Überschuss an Progesteron und ein Mangel an Östrogen sein, oder ein Überschuss an Östrogen bei einem korrekten Progesteronwert. Kurzum: Es gibt eine Vielzahl von PMS. Der wichtigste Faktor bei den PMS ist der Stress und das Gefühl der Angst, das mit ihm einhergeht. Einer der Schlüssel zur Linderung von PMS spielt sich auf emotionaler Ebene ab, man muss Vertrauen haben und sich sicher fühlen.
Wie können sich Frauen intuitiv mit ihrer Mitte verbinden?
Indem sie sich selbst vertrauen. Es gibt tausende von Wegen, um sich mit seiner Mitte zu verbinden, durch Singen, durch Visualisierung, durch Bewegung, durch Musik, durch Empfindungen… Das Problem liegt oft darin, dass die Personen kein Vertrauen in ihr eigenes Empfinden haben, sie denken, dass das, was sie empfinden, nicht richtig ist oder dass sie nichts gefühlt haben. Es können tatsächlich sehr subtile, manchmal nur ganz leichte Anzeichen sein, die jedoch sehr machtvoll sind, wenn man in sie Vertrauen setzt.
Über Maud Renard:
Maud Renard arbeitete als Tänzerin und Architektin. Unter Depressionen und Schmerzen leidend, nahm sie sich eine berufliche Auszeit und lebte längere Zeit in Kolumbien, wo sie mit Schamanismus, Naturheilung und spiritueller Frauenheilkunde in Kontakt kam. Zurück in Frankreich hat sie aus ihren Erfahrungen ihre eigene Therapieform der emotionalen Gynäkologie entwickelt – ein ganzheitlicher Ansatz, der die Gebärmutter, das Zusammenspiel von Emotionen und Intuition ins Zentrum der Therapie und Heilung stellt. Sie hat das Buch „Heile deine Gebärmutter: Die ureigene weibliche Kraftquelle wiederentdecken – für ganzheitliche Gesundheit, Authentizität und Fülle“ geschrieben, dass am 27. Oktober im arkana Verlag erschienen ist.
Portrait M.Renard ©Amélie Patry
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