Die Sache mit den neuen Gewohnheiten ist die: Wir nehmen uns zu viel vor. Dieses Jahr stapeln wir tief und üben kleine Gewohnheiten, die nachhaltig etwas verändern.
Anfang des Jahres haben wir die wildesten Ideen. Wir wollen abnehmen, Sport machen, meditieren, ein Buch schreiben und endlich den Handstand schaffen. Wenn wir aber noch genauer hinsehen, dann wollen wir 5 Kilo statt 2 abnehmen, eine halbe Stunde laufen statt 10 Minuten, eine Stunde meditieren statt 5 Minuten, ein Buch statt erstmal einen Artikel schreiben und wir wollen nicht nur den Handstand können. Nein, wir wollen darin stehen bleiben und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, eine Hand vom Boden lösen und ein Tässchen Tee dabei trinken. Verrückt, oder?
Zu hohe Ziele
Letzteres ist sicherlich übertrieben, aber es bringt das Problem auf den Punkt: Wir wollen zu viel. Wir stecken unsere Ziele zu hoch, statt klein anzufangen. James Clear, der Autor von “Atomic Habits” (die deutsche Übersetzung des Bestsellers Titel “Die 1%-Methode” ist leider missleading) erklärt genau das im Podcast “Design Matters” mit Debbie Millmann.
Titelbild @ Anna Lena Duschl
Wir stecken die Ziele so hoch, dass wir am Ende scheitern. Warum hängen wir die Messlatte nicht einfach tiefer?
„Es sind die kleinen Gewohnheiten, die minimalen Veränderungen des Lebens, die auf Dauer große Wirkung entfalten.„
James Clear
Denn es geht bei neuen Gewohnheiten weniger darum, dass sie besonders fancy oder lang sind. Es geht darum, dass sie sich in unser Leben einschleichen und irgendwann einfach passieren. So wie das Zähneputzen eben. Die wirklich großen Veränderungen passieren übrigens, wenn sich im Außen etwas verändert. Wir stürzen in eine Krise, verlieren den Job oder ein geliebter Mensch verstirbt – alles Situationen, in denen es nicht weitergehen kann wie zuvor.
Was ist eine Gewohnheit?
Eine Gewohnheit ist eine unter gleichartigen Bedingungen entwickelte Reaktionsweise, die durch Wiederholung stereotypisiert wird und bei gleichartigen Situationsbedingungen wie automatisch nach demselben Reaktionsschema ausgeführt wird. Wichtig ist die immer gleiche Situation und das Eintreten eines gewünschten Ergebnisses. Beim Chips essen zum Beispiel wissen wir, es schmeckt gut, der Genuss kommt sofort. Beim Zähneputzen verschwindet sofort ein unangenehmer Geschmack – wir haben ein direktes Ergebnis.
Wie lange dauert es also, eine neue Gewohnheit zu etablieren? Wir kennen ja diese Richtwerte mit 21, 30 oder 60 Tagen. Irgendwie sagt jeder etwas anderes. James Clear sagt: Es dauert ein Leben lang. Denn die Gewohnheit muss ständig wiederholt werden, damit sie ein Teil des Lebens und somit des neuen “Lifestyles” wird. Ich habe für mich festgestellt, wenn wir in einem Umfeld sind, in dem mehrere Menschen etwas gemeinsam umsetzen, geht es schneller mit der Etablierung einer Gewohnheit und vor allem mit der Veränderung des Mindsets. So gab es im Ashram einen Kontext und eine soziale Praxis, in der die Gewohnheit des Meditierens eingebettet war. Sind wir alleine, sollte die Zeitspanne des Übens länger sein.
Verhaltens- und Wachstumsgewohnheiten
Wir können bei Gewohnheiten zwischen Verhaltens-, Wachstums- und Mindsetgewohnheiten unterscheiden. Verhaltensgewohnheiten, das sind Dinge wie Zähneputzen, Fernsehen schauen am Abend, der Gang zum Sofa – all die Dinge, die wir tun und nicht mehr hinterfragen.
Wachstumsgewohnheiten sind Dinge, die uns besser werden lassen. Dazu gehören zum Beispiel: Lesen, Schreiben, Trainieren und Meditieren. All die Dinge, die dafür sorgen, dass wir besser in etwas werden. Denn das dauernde Wiederholen sorgt dafür, dass wir uns beständig in einer Sache verbessern. Wichtig ist für diese Art des Wachstums, dass wir die Gewohnheit beständig wiederholen, denn wenn wir einmal meditieren, ändert sich dadurch nicht automatisch unsere Denkweise. Wenn wir es langfristig jeden Tag tun, verändert sich einiges.
Mindsetgewohnheiten sind die Dinge, die aus den Wachstumsgewohnheiten entstehen. Wir werden toleranter, unsere Frustrationsgrenze wird größer und wir werden verständnisvoller. Wenn sich einmal Erfolg einstellt, dann verändert sich unsere Einstellung.
In der Wiederholung liegt Freiheit
Ich glaube, Gewohnheiten sind eine tolle Sache, weil sie uns wirklich dabei helfen können, langfristig etwas zu verändern. Wir werden oft von einem festen Rahmen oder einer Routine abgeschreckt, weil es sich gleichförmig oder langweilig anfühlt. Dabei liegt darin sehr viel Freiheit, da wir uns über vieles andere keine Gedanken machen müssen.
Wenn wir zum Beispiel jeden Tag dasselbe weiße Hemd anziehen, verschwenden wir keinen Gedanken an unsere Kleidung. Wenn wir jeden Tag meditieren, wird der Geist still. Wir machen Platz für neue Ideen.
Was brauchen wir nun, wenn wir wirklich im neuen Jahr eine Routine etablieren wollen?
Statt Motivation, so die Experten, die geht nämlich leider schnell wieder flöten, brauchen wir ein System, auf das wir bauen können:
- Erstelle eine Liste, was du zur Gewohnheit machen möchtest. Mir fallen gleich mehrere Sachen ein,
- … aber du wirst dich im nächsten Schritt erstmal auf nur eine Gewohnheit committen müssen. Wähle eine einzige Sache aus.
- Das Wichtigste: Stapel so tief wie möglich. Mach es dir einfach,denn du weißt, es geht um die Langfristigkeit. Du willst diese Gewohnheit immer wieder tun, du lässt sie nicht fallen, wenn es regnet, wenn Freunde zu Besuch sind oder oder.
Beispiele: 5 Minuten meditieren, 1 Seite schreiben, 5 Minuten Fitness etc. Die Gewohnheit muss in wenigen Minuten umsetzbar sein. - Setze dir einen Auslösereiz (z.B. Laufschuhe oder Meditationsmatte neben dem Bett) und verbinde die Gewohnheit mit einer Belohnung. Das kann auch sein, nach 5x wiederholen, schenke ich mir eine Massage. Besser ist jedoch eine unmittelbare kleine Belohnung.
- Komm ins Machen. Lege los und wiederhole die neue Gewohnheit Tag für Tag.
- Erstelle eine Liste und hake die Tage ab. Das Aufschreiben sollte dabei ganz einfach gehalten sein. Aber es soll dir zeigen, wie viele Tage du bereits dabei bist. Und wir wissen, was einmal läuft, geben wir so schnell nicht auf. Es hilft, wenn sich die Liste an einem sichtbaren Ort befindet.
Woran wir uns erinnern sollten: Es geht darum, etwas zu wählen, das wir wirklich wollen, nicht etwas, was uns von außen auferlegt wird. Und es muss einfach sein. Alles, was sich schwer machbar anhört, wird auch schwer bleiben. Kurz und einfach, das ist der Schlüssel. Wenn 5 Minuten Meditation schwer sind, dann mach 1 Minuten draus.
Denn irgendwann steigert sich die Zeit von selbst. Statt 5 Minuten sitzen wir auf einmal doch 6, dann 7 Minuten. Wir schreiben auf einmal 3 statt 1 Seite. Wenn sich das einstellt, nehmen wir es mit, aber wir erhöhen die Zeit nicht von selbst, weil wir glauben, es muss jetzt besser werden oder Erfolg muss her. Unser Erfolg ist die Langfristigkeit. Die Liste der abgehackten Tage, die länger und länger wird. Und wie toll ist es, wenn du irgendwann sagen kannst: Ich meditiere jetzt seit 100 Tagen?
Was sich noch alles ändert
Das Verrückte ist ja, wenn wir es schaffen eine kleine Sache zu ändern, verändern sich mit ihr viele andere Dinge. Zum Beispiel unser Zeitempfinden, das verändert sich auf einmal schlagartig. Und mit einer guten Gewohnheit kommt automatisch die nächste Gewohnheit mit dazu.
Bei all den Änderungswünschen sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass das Einzige was wir ändern können, wir selbst sind. Nicht das Außen! Und wir sollten uns darüber freuen, dass wir immer wieder die Möglichkeit haben, etwas zu verändern. Wenn wir etwas Kleines an uns selbst ändern, kann das große Veränderungen auslösen. Und wenn wir unser eigenes Verhalten ändern, dann ändert sich irgendwann auch unser Denken.
Wir wünschen euch viel Spaß bei der Etablierung einer neuen und klitzekleinen Gewohnheit.
Buchtipps:
James Clear: Die 1%-Methode
Wendy Wong: Good Habits, Bad Habits
Portrait Simone @ Anna Lena Duschl
Hintergrund @ Cottonbro Studio
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