Simone Lopez Sanchez in ihrer Kolumne über einen verpatzten Urlaub

KOLUMNE #embracethechaos: Einfach mal joot sein lassen und feiern*

Statt Wasserfall in Bali gab’s im Familienurlaub in Marrakesch eine Brustmassage und Durchfall. Warum Simone ihren ersten Urlaub abgebrochen hat und wie am Ende eine rote Nase und Eierlikörchen das Ganze zum Guten gewendet haben.

Was brauchen wir, um gesund zu bleiben? Die Spatzen rufen es von den Dächern: Mehr Zeit, in der wir nichts tun. Pausen. Zeiten, in denen Körper und Seele zur Ruhe kommen. Momente, in denen das Gehirn eine Pause macht und wir im Kopf keine To-do-Liste abhaken. Nennen wir das Ganze: Urlaub. Gesellt sich zu einem Paar ein Kind, wird auf einmal das Konzept Urlaub gehörig auf den Kopf gestellt. Aber lest selbst.

Titelbild @ Anna Lena Duschl

Einmal Marocco und schnell wieder zurück

Klar war, la Familia Lopez Sanchez braucht Urlaub. Mein Mann hatte seinen ganzen Urlaub aus 2022 gesammelt und so sollten wir im Februar auf Reisen gehen. Vergessen hatten wir: das Kind verrückt auf Karneval. Aber gut, man kann nicht auf jeder Hochzeit tanzen. Unser erstes Ziel: Bali. Weil wir es dort immer gut angetroffen haben. Das Wetter, die Menschen, die Spiritualität, Surfen, Yoga – alles da. Aber leider war es dieses Jahr auch teuer. Eine Safari in Südafrika, ein Roundtrip an der Westküste der Verinigten Staaten oder auf die Kanaren – wir kamen nicht zu Potte. Ich steckte mitten im Abschuss der Coaching-Ausbildung und einem Job und hatte kaum Zeit mich mit Urlaub auseinanderzusetzen. 

Der Mann schlug einen Cluburlaub vor. Mit Sport, Pools, Buffet, Kidsclub – und am Ende auch Zeit für uns. Ich war mäßig begeistert. Ich wollte doch was erleben, auf Reisen gehen, fremde Kulturen, andere Menschen und andere Sitten einatmen. Hatten wir nicht zuletzt auf dem Sofa davon gesprochen, dass wir Inspiration brauchen? Bekommt man die in einem Club-Urlaub? 

Am Ende landeten wir bei Marokko. Herrlich, dachten wir, erst ein paar Tage in Marrakesch, dann Berge mit Aktivität fürs Kind, dann weiter ins Land, dann Wüstencamp und am Ende ein schöner Club. Es sah alles zauberhaft aus auf den Insta-Bildern, die ich förmlich einsog. Klingt super? War es nicht. 

Laut, unheimlich und irgendwie ganz anders

Die Zeit vor dem Urlaub war hektisch. Meine Mama half mir mit der Wäsche, weil ich das komplette Wochenende im Coaching steckte, was anstrengender war als vermutet. Direkt am Tag danach ging es weiter. Als das Taxi vor der Haustür stand, ließ ich mich völlig fertig auf den Rücksitz plumpsen und dachte nur: Bring mich in die Sonne.

Ich war froh, dass wir noch Hotels gefunden hatten, denn auch der erste Todestag meines Vaters stand an und ich wollte weg. Ursprünglich sah ich mich in Bali unter einem Wasserfall stehen, der all die Trauer einmal von mir abspült und ich stellte mir vor, wie ich als frisch gewaschene Simone mit neuem Tattoo und nach leichtem Schleudergang wieder zurückkam. 

Wir kamen spät abends in Marrakesch an. Hotel mitten in der Medina. Alles dunkel, lautes Geknatter der Mopeds, viele Menschen und Gedränge. Ja, es war unheimlich. Das Kind kroch an mir hoch. Der Mann vom Hotel wuchtete unsere Koffer in einem Holzkarren zum Hotel, ich wuchtete ein 16-Kilo-Kind zur neuen Behausung. Um die Ecke rannte ich in einen Kerl, der aussah, als käme er gerade nach 16 Stunden straight out of Berghain. 

Das Hotel war toll, perfekt für Paare, wie ganz Marrakesch. Leider war das Schwimmbad eher ein kleines Fußbad, wie es bei Riads öfter der Fall ist. Schon am nächsten Morgen ging alles schief. Der Taxifahrer zog uns mies ab, wir hatten keine Karten für den Yves Saint Laurent Garten reserviert, das Kind hatte miese Laune, es war eisekalt und mir wurde schlecht, als ich sah dass immer noch Pferdekutschen durch die Stadt fuhren . Gleichzeitig wollte ich dem Kind nicht alles verbieten und saß am Ende mies gelaunt in dieser Scheißkutsche. 

Statt ent-spannt nur noch ver-spannt

Am Djemaa el-Fna war es dreckig, alte Männern flöteten arme Schlangen aus Körben und Affen sprangen angeleint umher. Dauernd war ich in einem Zwiespalt oder hatte ein schlechtes Gewissen. Das Kind meckerte oder hatte Angst und selbst der Mann bekam irgendwann schlechte Laune. Ich fühlte mich unwohl und es wurde mit jedem Tag kälter. Oh Gott, bin ich etwa eine verwöhnte Europäerin? Ich habe doch 2 Jahre in einem Emirat gelebt, war allein in Indien, in Sri Lanka und im Oman – was zum Teufel war hier los?

Dauernd suchten wir nach Lösungen für irgendein Problem, statt uns zu erholen. Nächsten Tag ging ich zur Massage – endlich Entspannung. Der Raum war dunkel, die Dame gereizt und ich bekam eine Brustmassage. Ich war so gelähmt, dass ich kein Wort heraus brachte. Bis heute ist mir nicht klar, warum man mir in einem islamisch gläubigen Land die Brüste massierte. Fast 15 Minuten Kneterei. Ich war verwirrt und wurde statt ent-spannt nur noch mehr ver-spannt. 

Auch die Suche nach einem Hotel mit Schwimmbad für einen Tagesausflug erwies sich als fatal. Das Schwimmbad, das wir fanden, war gut für Fußpilz, aber nicht zum Planschen. In meinem fancy Reiseführer fand ich ein tolles vegetarisches Restaurant – als wir nach Stunden der Suche endlich dort ankamen, knallte uns die Besitzerin die Türe vor der Nase zu mit den Worten: “Das Essen ist aus”. Ich verstand die Welt nicht mehr, da stand eine Familie sichtlich ausgezerrt mit hungrigen Kind – wtf?

Ab in die Berge

Am nächsten Tag schöpften wir Hoffnung, denn die Reise ging weiter in die Berge. Ein Hotel mit Kids-Aktivitäten. Auf dem Weg telefonierte ich mit einem Bankberater, weil irgendetwas mit meinem Konto nicht funktionierte. Wieder Lösung suchen, statt loslassen. Ich dachte an den Cluburlaub, den mein Mann vorgeschlagen hatte. Würde ich da jetzt in der Sonne liegen? Der Taxifahrer rotzte beherzt aus dem Fenster. 

In den Bergen war es noch kälter. Ich zog die Yoga-Leggings unter die Jeans und nahm mir fest vor, bei guter Laune zu bleiben. Das Hotel war alt und runtergerockt, das Zimmer kalt wie in Sibirien, das einzige Restaurant am Platz war ein Dreckloch – ich würgte. Nach einem kurzen Besuch saß das Kind Stunden auf dem Klo. Wieder fühlte ich mich schlecht. Warum tun wir unserem Kind das bloß an? Ein Kind, das vor Freude jubelt, wenn es Kids-Clubs und Pools sieht? Ich Idiotin. 

Auch die Slots im Kletterpark waren an diesem Tag ausgebucht, der Spielplatz kostete auf einmal Geld, selbst der Esel schaute traurig. Und wir bekamen es als Paar und Eltern nicht gedreht. Wir hatten Schiss vor dem nächsten Stop, überlegten hin und her, dachten an die nächsten “schönen” Locations und die Wüste – und buchten schlussendlich an diesem Abend den Rückflug nach Deutschland für den nächsten Morgen.

Back to Germany – rein in den Karneval

Auf dem Rückflug war die Stimmung komisch. Das Kind war aufgekratzt, konnte nicht schlafen und verlor die Geduld, wenn der Stift oder die Sticker nicht so wollten, wie er es sich vorgestellt hatte. Dazu muss man wissen, ich versuche weiterhin iPads & Co. zu meiden und reise ausgestattet, wie eine Öko-Tante im Mittelalter. Ich habe schon so vieles umgestellt, weil es die Gesellschaft fordert, aber an diesem Ding beiße ich mich fest.

Nach dem dritten Wutanfall des Kindes übernimmt der Mann, ich sinke in den Sitz. Nach dem vierten Wutanfall raunt die ältere Dame geritzt von hinten: “Also, das ist der Gipfel. Sie haben ihr Kind ja mal so gar nicht im Griff.” Die Sache mit dem Griff, denke ich. Ich habe mich doch selbst nicht im Griff. Der Mann pfeffert schlagfertig etwas auf Englisch zurück, was keiner versteht. Gut so. Mir verschlägt es die Sprache. Ich drehe mich um, Tränen laufen mir über die Backen. 

Zurück in Deutschland war der nächste Tag der Todestag meines Vaters. Ich weinte erneut und spürte: Mir steckte die Reise noch in den Knochen. Ich schrieb mir die Trauer aus dem Körper und ging in eine sehr schlechte Yogastunde, die an diesem Tag nicht dafür sorgte, dass es mir besser ging. Verkleidete Kinder begegneten mir auf meiner Rückfahrt. Zuhause angekommen, fassten wir den Entschluss, dass das Kind eine ordentliche Mütze Spaß, Heidewitzka und Kamelle verdient hat. Denn das versprochene Schwimmbad gab es nicht und zum Kamelreiten hatten wir es ebenfalls nicht kommen lassen. 

Bei Oma angekommen, blühte das Kind auf. Wir verkleideten uns, ich schminkte Planeten, Clownsnasen und Tiger und setzte mir alte Perücken auf den Kopf. Meine Mutter passte abends aufs Kind auf, wir tanzten in meinem Heimatdorf. Abends wachte ich auf, war traurig, dachte an meinen Vater und den verpatzten Urlaub – aber ich hatte das erste Mal nicht das Gefühl, nach Lösungen suchen zu müssen. 

Ein lachendes Kind, eine Oma und ein volles Programm

Ich habe Karneval in meinem Leben oft verteufelt. Ich bin damit aufgewachsen und mir fallen immer noch Dinge ein, die ich nicht gut finde, was aber an diesem Wochenende half waren Menschen, die ich lange nicht gesehen hatte und die uns in die Arme nahmen, ein lachendes Kind, eine Oma und ein volles Programm.

Und ja, auch das ein oder andere Bierchen ohne Reue, lustige Gespräche, weniger Ernsthaftigkeit. Ich musste daran denken, dass Dr. Maja Storch mir im Podcast erklärte, unsere Generation sei über-gesund und ernst und sehe dabei gar nicht glücklich aus. 

Also: Nehmt die Beine in die Hand, das Kind auf dem Arm, tanzt, hört für einen Moment auf nach Lösungen zu suchen, lasst gute Laune rein, atmet, singt und gönnt euch vielleicht wenn ihr nicht vegan seid, das ein oder andere Eierlikörchen.

Ich hatte die ganze Zeit Hape Kerkeling im Ohr, der so schön sagt: “Noch ein Eierlikörchen, denn das Leben muss ja weitergehen.“ Ja, unsere Aufgabe ist es, immer wieder das Beste aus dem Leben zu machen. Ich bin sicher: Entspannen geht auch zuhause und der nächste Urlaub kommt janz bestimmt. 

Eure Simone

Titelbild @ Anna Lena Duschl

Kategorien Kolumne

Simone ist Mama eines kleinen Jungen, leidenschaftliche Yoga- und Meditationslehrerin, Podcast-Gastgeberin, freie Autorin und PR-Beraterin und ihre große Liebe ist das Schreiben. Sie ist verantwortlich für alle Inhalte und Texte bei PersonalityMag.

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