Steffi Grube ist Katonah-Yogalehrerin und Autorin und hat gemeinsam mit ihrer Partnerin ein Yogastudio in Köln gegründet. Für uns hat sie einen Text über den außergewöhnlichen Stil Katonah Yoga , der von der Chinesischen Medizin inspiriert ist, geschrieben.
Bevor ich Katonah Yoga kennengelernt habe, habe ich viele Jahre Vinyasa und Jivamukti Yoga in Köln unterrichtet. Yoga war da schon lange mein Lebensinhalt – ich habe viel praktiziert und viel unterrichtet. Aber es gab ehrlicherweise auch Probleme in meinem Yoga-Leben: Ich hatte immer wieder Hexenschüsse im unteren Rücken. Das hielt mich nicht davon ab, in starke Rückbeugen zu gehen. Selbst wenn ich beim Üben schon wusste, dass ich danach Schmerzen haben würde.
2014 war ich für ein paar Wochen in New York. Damals redeten in der New Yorker Yogaszene viele über einen neuen Stil: Katonah Yoga. Wenn ich mal etwas Neues ausprobieren wollte, dann sollte ich in das Studio gehen, wurde mir empfohlen.
In meiner ersten Katonah-Yoga-Klasse bei Abbie Galvin blieb ich, in dem bis auf den letzten Winkel übervollen Yoga-Raum, ungefähr zwei Sekunden unbemerkt. “Who are you?”, fragte mich Abbie laut. Ich erklärte stolz, dass ich selbst Yogalehrerin sei. Abbie reagierte freundlich, aber auch deutlich unbeeindruckt.
Schon bei den ersten Positionen kam sie zu mir, als hätte sie schon vorher gewusst, was sie erwartet. Sie steckte mir, als ich im herabschauenden Hund war, eine Faust zwischen die Schulterblätter und meinte: “You muscle through.” Ich wusste nicht genau, was sie meinte, aber im Verlauf der Stunde wurde mir klar: Mir fehlte die Leichtigkeit, auch und vor allem in den Rückbeugen. Ich hielt vieles mit den Muskeln in meinem oberen Rücken.
Abbie erklärte: Das Halten sei nicht die Aufgabe des Rückens – sondern der Beine. Denn man kann den Körper in 3 Stockwerke unterteilen: Das erste – Füße, Beine, Becken – soll stabil als Fundament stabil sein und Gewicht halten. Das zweite – Bauch, Oberkörper, Arme, Hals – soll beweglich und flexibel sein. Das dritte Stockwerk – der Schädel – soll sich umschauen können, in alle Richtungen und den Überblick behalten.
Das hat mich direkt gepackt. Ich konnte die Aufgabe mit der Metapher im Kopf leichter umsetzen. Mehr Gewicht in die Beine, weniger in die Hände und vor allem in den Oberkörper. Ein Prinzip, das ich zuvor schon öfters im Yoga gehört hatte, aber nie wusste, wie ich es in meinen Körper bringen kann.
Die Stockwerke und viele weitere Metaphern, mit denen wir im Katonah Yoga arbeiten, sind für mich hilfreich, um den Kopf im Yoga-Unterricht zu nutzen, um sich einfacher in bestimmten Positionen zu bewegen.
Dieses Bild der Stockwerke begleitet mich seitdem, als Schülerin und Lehrerin. Seit ich gelernt habe, meine Beine wirklich als Fundament zu benutzen, ist meine Praxis eine Prävention gegen Hexenschüsse geworden – und nicht mehr ein direkter Weg in sie hinein. Heute merke ich, wenn ich Schmerzen im unteren Rücken habe, dass ich zu wenig Yoga gemacht habe, und nicht zu viel.
Aber wie anders ist Katonah Yoga? Und wie unterscheidet sich der Yogastil sonst noch von anderen Stilen?
Hier sind 3 Dinge, die Katonah Yoga ausmachen:
Chinesische Medizin statt indische Philosophie
Yep, Katonah ist tatsächlich etwas anders als andere Yogastile. Das liegt vor allem daran, dass die Theorie nicht auf der indischen Philosophie basiert, sondern auf der Chinesischen Medizin. Als Referenzen gibt es die 5 Jahreszeiten aus der Chinesischen Medizin, Yin & Yang und vieles mehr.
Das heißt auch: Kein “Namaste” oder “Om”. Sanskrit, die alt-indische Sprache wird im Katonah Yoga nicht benutzt. Auch die Positionen werden nicht auf Sanskrit bezeichnet: Adho Mukha Svanasana, der herabschauende Hund, heißt in Katonah Yoga einfach nur “Dog”.
Alles wird auf Englisch benannt? Ja, aber das steht den Lehrerinnen offen, wie sie die Positionen ansagen. Katonah Yoga kommt aus den USA, daher auch der Name. Katonah ist eine kleine Stadt in Pendel-Nähe zu New York, in dem der Yogastil entstanden ist.
Dort hat Nevine Michaan, die Gründerin von Katonah Yoga, ihren eigenen Stil entwickelt und jahrzehntelang unterrichtet. Bis vor kurzem konnte man noch in ihrem Studio in Katonah Unterricht nehmen. Das Studio hat sie vor ein paar Monaten aufgegeben – Nevine Michaan ist mittlerweile 70 Jahre alt.
Ihr Stil wird aber mittlerweile weltweit praktiziert und hat gerade durch die Corona-Lockdown-Zeit richtig zugelegt: Durch zahlreiche Online-Programme konnten viele Schüler*innen Katonah kennenlernen und mittlerweile gibt es auch in Deutschland viele Städte, in denen Katonah Yoga angeboten wird.
Mit Metaphern arbeiten
Die Theorie ist ein wichtiger Teil der Praxis: Die Metaphern aus dem Katonah Yoga werden während des Unterrichts oft wiederholt und spielen eine große Rolle. Dazu gehören Bilder wie „The Body as a House“, der Körper als Haus – eine Metapher, in dem man den Körper in die schon erwähnten drei Stockwerke sowie in neun Räume aufteilt. Jeder Raum hat seine eigene Funktion und Zahl. Oder auch den „Magic Square“, eine Art Tic-Tac-Toe-Board, eine Zahlenmystik aus der Chinesischen Medizin, mit der wir arbeiten und den man über die neun Räume legen kann.
Die Positionen, die wir im Katonah-Yoga-Unterricht machen, sind nicht wesentlich anders als “normale” Yogapositionen, es werden aber ein paar Positionen weggelassen beziehungsweise nur selten geübt. Dazu gehören die klassischen Kriegerinnen-Positionen und auch Savasana, die Endentspannung (Ich höre meine Yogalehrerin Abbie Galvin sagen: “Noone needs to practice to be a corpse!”).
Aber auch das richtet sich sehr danach, wer Katonah Yoga unterrichtet. Denn das Material ist letztendlich wie eine Schablone, die du auf deinen Unterricht legen kannst. Daher kannst du die Katonah-Yogalehrerinnen-Ausbildung auch erst machen, wenn du schon eine 200-Stunden-Ausbildung hast. Man soll das Katonah-Material quasi einbauen.
Aber was ist dann typisch Katonah Yoga? Mit den folgenden Übungen kannst du selbst für dich herausfinden, wie sich ein paar der typischen Katonah-Yoga-Positionen und Sequenzen anfühlen.
Typische Katonah-Yoga-Positionen
Flip it!
Was du vielleicht mit Katonah Yoga verbindest, wenn du es schon einmal gesehen oder selbst geübt hast, ist das Flippen der Hände und Füße.
Im Vierfußstand kannst du versuchen, die Hände mit den Fingern nach außen zeigen zu lassen. Achte darauf, dass deine Handgelenke genau unter den Schultergelenken sind (90 Grad-Winkel) und deine Knie unter deiner Hüfte. Mit den Händen so geflippt, übe ein paar Mal Katze-Kuh. Dann könntest du die Hände so halten und versuchen in einen herabschauenden Hund zu gehen.
Zurück im Vierfußstand kannst du versuchen, die Hände noch weiter zu flippen, so dass die Finger zu den Knien zeigen. Auch hier: Achte darauf, dass die Handgelenke wieder unter den Schultergelenken stehen. Das bedeutet für viele von uns: Schiebe die Schultern mehr nach vorne und beuge die Ellenbogen.
Mit den geflippten Händen kannst du nun versuchen, in ein Brett und eventuell in einen herabschauenden Hund zu kommen. Wenn du denkst: Das geht auf gar keinen Fall – dann flippe die Hände einfach nacheinander: Zuerst die linke und dann die rechte Hand.
Go fast!
Katze Kuh ist easy, aber hast du es schon mal richtig schnell geübt? Besser als jeder Volumenföhn. So verbindest du die körperliche Übung direkt mit einem schnelleren Atem. Das schnelle Üben der Katze-Kuh-Abfolge kommt, wie viele der Atemübungen, die wir in Katonah Yoga üben, aus dem Kundalini Yoga.
Measure!
Ob du wirklich in einem 90-Grad-Winkel stehst, kannst du am besten überprüfen, indem du einen Block benutzt. Zum Beispiel im Vierfußstand, wenn die Finger ganz “normal” nach vorne zeigen und du wissen willst, ob die Schultern über den Handgelenken stehen. Zu meinen oder zu fühlen, dass sie in einem rechten Winkel stehen, ist immer noch etwas anderes, als es wirklich mit Hilfsmitteln zu überprüfen.
Nichts leichter als das: Nimm dir dafür einen Block und stelle ihn hochkant hinter deine Handgelenke. Da kannst du den Block auch lassen, wenn du in Katze-Kuh-Bewegungen oder in Hüftkreise gehst. Wenn der Block kippt, ist das eine Erinnerung an dich, dass da kein rechter Winkel war. Die Blöcke kannst du zum Abmessen im Vierfußstand auch vor die Oberschenkel stellen.
Be bouncy!
Beuge die Knie im Hund, schiebe mehr Gewicht in die Beine. Den Tipp hast du vielleicht schon mal gehört. In Katonah Yoga wollen wir so leicht in den Händen sein, dass wir auf die Fingerspitzen kommen können.
Über Steffi Grube:
Steffi Grube ist Katonah-Yogalehrerin, Coach und Autorin. Zusammen mit Daniela Augenstein hat sie in Köln das Studio Holy gegründet, in dem sie Katonah Yoga unterrichtet. Alle Klassen sind hybrid und finden auch online statt. Eine von Steffis großen Leidenschaften ist es, Katonah Yoga auf Deutsch zu unterrichten und die Metaphern zu übersetzen und zu interpretieren. Bei Holy unterrichtet Steffi Katonah Yoga, ihre Kollegin Dani lehrt Iyengar Yoga. Beide Stile arbeiten mit vielen Hilfsmitteln und haben mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick vielleicht denken würde. Die Kombination von Katonah und Iyengar Yoga gibt es auch auf Retreats: Im Mai bieten Steffi & Dani eine Woche Yoga & dolce Vita in Kroatien an.
Bilder @ Anne Caspar
Spannender Artikel, da bekomme ich gleich Lust im Studio in Köln vorbei zu schauen!