Simone Lopez Sanchez in der Kolumne #embracethechaos über die Schönheit

KOLUMNE #embracethechaos: Genieße, wenn das Leben am schönsten ist!*

Ich war verzweifelt auf der Suche nach Schönheit. Stattdessen begegnete mir erneut der Tod. Am Ende fand ich eine alte Tasche und verstand: Es ist wichtig, dass wir uns an die guten Momente erinnern.

Ich gehe gerade durch eine turbulente Zeit. Es gibt viele Ideen in meinem Kopf und Herzen und dann gibt es da mein Bankkonto. Das eine juchzt vor Freude, das andere strotzt vor gähnender Leere. Was nach außen toll aussieht, selbstständig und always on ist nicht immer einfach.

Verpflichtungen, ein krankes Kind, eine weitere Anfrage fürs Magazin ohne monetären Ausgleich – manchmal möchte ich hinschmeißen und Bäckerin sein. Gleichzeitig treffe ich die tollsten Frauen, alle ein paar Jahr älter als ich, alle frei und mutig, die mir irgendwie den Weg weisen.

Und die mir dabei helfen, dass ich auf die Dinge vertrauen kann und darf. Diese Frauen sind so schön – weil sie ihren eigenen Weg gegangen sind. Mit allen Höhen und Tiefen. So, der Text könnte zu Ende sein.

Titelbild @ Anna Lena Duschl

Selfcare is key

Mit einer dieser Frauen wollte ich an einem Wochenende praktizieren, Yoga in seiner reinsten Form üben und endlich mal wieder was für mich tun. Ich habe für mich herausgefunden: Schönheit hat für mich nichts mit Produkten zu tun, weder für 10 noch für 100 Euro.

Wenn ich mich nicht ein bisschen um mich selbst kümmere, dann bin ich nicht ausgeglichen. Ergo nicht schön, weil die Energie, die ich aussende, nicht gut ist. Dieses um sich selbst kümmern hängt für mich aber nicht an Produkten. Es hat viel mit einer spirituellen Praxis und Pausen zu tun.

Ich freute mich so sehr aufs besagte Wochenende. Am Freitagabend wollte ich alte Freunde zum Abendessen treffen, auch etwas das mich von innen auffüllt. Am Samstag und Sonntag dann ein wunderbarer Workshop mit Yogalehrerin Annette Hartwig. Beides fiel ins Wasser.

Am Freitag bekam ich einen Anruf. Ein geliebtes Familienmitglied liegt im Krankenhaus, die Lage schlecht, die Aussicht dramatisch. Binnen einer Stunde war ich auf der Autobahn. Kind und Mann ließ ich, wo sie waren. Sofort kam wieder alles hoch – der Tod meines Vaters liegt erst ein Jahr zurück.

Mit dem Rhythmus der Natur

Ich saß im Krankenhaus, hielt Hände und summte Mantren. Hörte Ärzten zu und piepsenden Maschinen. Was macht unser Leben schön, schoss es mir durch den Kopf? Die Familie, Kinder? Wahrlich nicht der Job. Aber was ist mit denen, die allein leben, freiwillig oder unfreiwillig, die haben es doch auch schön, oder? Und gibt es ein schönes aus der Welt gehen, mit dem Rhythmus der Natur? An was erinnern wir uns am Ende?

Ich sagte schweren Herzens den Workshop ab. Ich konnte nicht zurück, ich hatte das Gefühl da sein zu müssen und zu wollen.

„Auch wenn ich sie öfter mal verliere, aber ich glaube an Führung und ich wünsche mir noch viel mehr darauf zu vertrauen.

Den Kopf auszumachen und das Herz entscheiden zu lassen – immer und immer wieder. Übrigens auch ein Grund, warum ich viel Yoga mache.

Der Tod des Vogels

Am nächsten Morgen rief mich meine Mutter. Ein Vogel war an die Fensterscheibe gekracht und lag auf dem Boden. Ich hob ihn auf. Streichelte ihn und redete ihm gut zu. Ich merkte, der will nochmal, der hebt gleich ab, aber erstmal musste er sich zurechtfinden.

Dann auf einmal schlug er die Flügel. Er wollte los, rein in die Schönheit des Lebens. Aber er fiel erneut zu Boden direkt auf den Rücken. Ich erschrak. Meine Mutter ging, um ein Paket zu holen, wir wollten ihn ablegen. Er lag wieder auf meiner Hand und als meine Mutter ein Osterkörbchen mit Stroh brachte, wollte ich ihn anstupsen – er war friedlich auf meiner Hand eingeschlafen.

Der Kopf knickte weg, aber dieser kleine Vogel war auch tot, noch schön anzusehen. Ich hingegen war verzweifelt. Ich hätte am liebsten in den Garten geschrien: „Was zur Hölle soll das mit dem verdammten Tod? Ich habe genug davon!“

Danach beerdigte meine Mutter den Vogel neben Max. Meinem Kaninchen. Sie stellte einen Topf auf sein Grab. „Nicht das ich aus Versehen darin herum grabe“, sagte sie.

Die Sache mit der Schönheit

Was sollte das? War das ein Zeichen und wenn ja wofür? Bin ich der Erzengel? Immer wenn ich komme, stirbt jemand? Es passierte nichts weiter an diesem Wochenende. Ich fuhr am Sonntag nach Hause, fiel meiner Familie in die Arme und war froh in diesen Cocoon zurückzukehren. Hatte ich herausgefunden, was es mit der Schönheit auf sich hat?

Nein, ich glaube nicht. Tage später las ich folgenden Satz im “The Comfort Book”: 

“Nothing makes ourselves feel better than not thinking of our selves.”

Matt Haig

Wenn wir mal nicht über uns selbst, die eigene Schönheit, das eigene Sein, die Probleme, den Job, das Kind nachdenken und stattdessen im Moment und ganz für andere da sind, dann fühlen wir uns gut.

Matt (als ob ich ihn vom Kaffe trinken kenne) beschreibt es als den schnellsten Weg zum Glücklichsein. Und wer glücklich ist, der strahlt und ist schön. Ich bin nicht glücklich nach Hause gefahren, auch nicht strahlend, aber ich war dem Herzen gefolgt. Manchmal reicht das aus.

Yoga kam zu mir

Ein Wochenende später kam auch Yoga, in Form eines anderen Workshops zu mir. Während ich mit Martyna Eder Yoga übte, überlegte ich, was ihre Schönheit ausmacht. Ich glaube, es ist ihre Klarheit, die Fähigkeit einem direkt in die Augen zu schauen, ihre Weichheit und der Gesang. Mir wurde klar, was ich an anderen Menschen schön finde: Weichheit, Güte und Empathie. Und ich verstand: Musik ist eine der schönen Künste, die wir haben. Ich hörte non-stop die nächsten Tage Musik, ich sang und suchte Musik von früher raus.

Und dann klingelte wieder mein Telefon. Wieder fuhr ich los, dieses mal packte ich das Kind mit ein. Am Abend hätte ich in einem neuen Studio unterrichten sollen, meine Vorfreude war groß, ich hatte eine herrliche Stunde im Gepäck. Es fiel mir schwer abzusagen, weil mich das Unterrichten gerade so ruft. Ich sprach der Lehrerin eine Sprachnachricht auf. Sie antwortete: „Da ist kein Zwiespalt, du weißt, was zu tun ist.“ Nichts war in dem Moment schöner als das.

Was bleibt am Ende des Lebens?

Wieder hielt ich eine Hand und bewunderte meine Mutter, die seit 6 Uhr morgens am Bett des Sterbenden saß, ihm nicht von der Seite wich. Es vergingen 15 Minuten, dann kam der Tod. Und wieder fragte ich mich: Was bedeutet Schönheit am Ende des Lebens? Wie schaffen wir uns ein schönes Leben? An diesem Tod war nichts schön, es fühlte sich kalt und furchtbar an.

Einen Tag später wühlten wir in alten Sachen, verzweifelt auf der Suche nach der Geburtsurkunde. Wir fanden Briefe und eine alte schwarze Handtasche mit Henkel und Klappverschluss. Der Inhalt: Pässe, Papiere und Fotos aus einer anderen Zeit. Viele Erinnerungen waren in dieser Tasche und auch wenn sie nicht enthielt, wonach ich und meine Schwester verzweifelt suchten, – es war ein halbes Leben in ihr. Fast als hätte diese Tasche in dem Karton darauf gewartet, entdeckt zu werden.

Ich verstand: Dann, wenn das Leben am schönsten ist, auf Reisen, wenn Kinder geboren werden, wenn wir Geburtstag feiern oder Menschen umarmen, Neues entdecken oder Altes lieben lernen, dann müssen wir es mit jeder Faser unseres Körpers auskosten. Und später, wenn wir alt und vielleicht krank werden, dann sind es diese Fotos, die Erinnerungen, die alten Taschen mit Henkel und Klappverschluss und all die Kisten, die uns die Schönheit des Lebens vor Augen halten. Und vielleicht huscht dann ein Lächeln über unser Gesicht.

PS: Bei aller Trauer – das Leben ist schön!

Eure Simone

0 Kommentare zu “KOLUMNE #embracethechaos: Genieße, wenn das Leben am schönsten ist!*

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert