Anne Hehl ist Coachin und Heilpraktikerin für Psychotherapie aus Hamburg. Sie erklärt uns, warum Schlaf eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden spielt. Und was wir tun können, wenn es nicht klappt, mit dem Schlafen.
In unserer schnelllebigen, leistungsorientierten Welt wird Schlaf oft als etwas Optionales angesehen. Nicht selten fällt er anderen – vermeintlich – wichtigeren Tätigkeiten zum Opfer. Viele Menschen leben nach dem Motto “Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.”
Aber Schlaf ist kein Luxus. Schlaf ist eine Notwendigkeit. Nachts läuft unser Körper zu Höchstform auf in Sachen Immunabwehr und Zellregeneration, nachts verarbeiten Geist und Seele das, was wir tagsüber erlebt haben.
Die Zwickmühle, in der sich viele meiner Klient:innen befinden, nämlich dass die Anzahl der Aufgaben und Verantwortlichkeiten rund um Job, Familie, Sozialleben & Co. nicht in die vorhandene Zeit passen, kenne ich nur allzu gut. Wenn der Tag sich mal wieder viel zu schnell dem Ende neigt, die unerledigten Dinge auf der To-Do-Liste aber noch zahlreich sind, dann wird der Weg ins Bett oftmals einfach nach hinten verschoben.
Zu wenig schlafen geht nicht spurlos an uns vorüber
Regelmäßiger Schlafmangel macht sich allerdings früher oder später bemerkbar. Da ist natürlich der nächste Morgen, an dem man kaum aus dem Bett kommt und sich energielos durch den Tag schleppt. Neben diesen kurzfristigen Auswirkungen steigt auch die Wahrscheinlichkeit für viele mittelfristige und Langzeitfolgen – wie z.B. diese:
- Unsere kognitive Leistungsfähigkeit leidet. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit sinken und wir können uns weniger gut Dinge merken.
- Wir werden emotional instabil, reagieren gereizt, übermäßig ängstlich oder sind zunehmend niedergeschlagen.
- Unsere körperliche Gesundheit wird angegriffen. Die Infektanfälligkeit steigt, ebenso wie die Gefahr von Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen.
- Auch auf den Hormonhaushalt wirkt sich ein zu niedriges Schlafpensum nachteilig aus. Darum ist es vor allem für Frauen in den Wechseljahren, wenn die Hormone ohnehin zu schwanken beginnen, wichtig, auf guten Schlaf zu achten.
Als alleinerziehende Mutter und Selbstständige habe ich über viele Jahre andere Dinge priorisiert als meinen Schlaf und dachte lange, mir könne das nichts anhaben. Die Retourkutsche kam nicht sofort. Vielleicht habe ich sie auch nur nicht als solche erkannt (oder sehen wollen).
Aber spätestens mit Einsetzen der Perimenopause habe ich gespürt, dass ich deutlich mehr Schlaf brauche, als die viele Jahre lang praktizierten 5 bis 6 Stunden. 7 bis 8 Stunden sind jetzt das Minimum. In manchen Phasen ist es auch deutlich mehr.
Schlaf ist ein Grundbedürfnis
Schlaf in ausreichender Quantität, aber vor allem auch Qualität ist eine der Grundlagen für unsere physische wie auch psychische Gesundheit. Egal, was wir im Leben vorhaben, Grundbedürfnisse wie unser Schlaf sind ein wichtiges Fundament für gutes Gelingen.
Schon der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat in der nach ihm benannten Maslow’schen Bedürfnispyramide dargestellt, dass physiologische Bedürfnisse wie Atmung, Wasser, Nahrung und eben Schlaf die Basis für alle anderen Bedürfnisse sind.
Stabile soziale Kontakte, beruflicher Erfolg oder Selbstverwirklichung – alles profitiert davon, wenn wir unsere Grundbedürfnisse im Blick haben, denn dann sind wir in unserer Kraft. Davon haben natürlich in erster Linie wir selbst etwas, aber auch unser Umfeld.
Im Kontext von Schlaf heißt das, dass wir einerseits ausreichend lange schlafen, aber vor allem auch, dass wir ausreichend gut schlafen:
Die benötigte Schlafmenge variiert von Mensch zu Mensch und auch von Lebensphase zu Lebensphase. Sogar die Jahreszeiten spielen eine Rolle. Acht Stunden werden oft als perfekte Schlafdauer zitiert. Doch diese Zahl ist eher als Durchschnittswert zu verstehen. Es ist wichtig, dass wir lernen, uns selbst zu beobachten, um wahrnehmen zu können, welche Schlafdauer für uns gerade optimal ist.
“Schlaf gut!” – so geht’s
Wenn es um die Verbesserung der Schlafqualität geht, dann habe ich folgende Impulse für meine Klient:innen:
Do not disturb. Es ist wichtig, dass wir Störquellen reduzieren, damit unser Schlaf in seiner Tiefe nicht gestört wird. Das gilt sowohl für Licht- als auch für Geräuschquellen. Dicke Vorhänge, Schlafmasken und Ohrstöpsel sind hier wertvolle Hilfsmittel.
Keep cool. Eine eher kühle Umgebung unterstützt den Körper dabei, die Temperatur während des Schlafes herunterzufahren, was Erholung fördert. 16 bis 18 Grad Celsius wird oft als Empfehlung ausgesprochen.
Tech free zone. Das Blaulicht, das von Bildschirmen ausgestrahlt wird, stört die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Insbesondere bei Schlafstörungen sollten wir bereits ein bis zwei Stunden vor dem Einschlafen auf Laptop, Tablet und Smartphone verzichten (sie gehören auch nicht ins Schlafzimmer). Wenn sich die Nutzung nicht vermeiden lässt, empfiehlt es sich, eine Blaulichtfilterbrille zu tragen.
Same same. Unsere biologische Uhr stabilisieren wir, indem wir einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus etablieren. Wenn wir jeden Tag ungefähr zur selben Zeit ins Bett gehen und auch wieder aufstehen, fällt es unserem Körper leichter, in den Nacht- bzw. auch wieder in den Tagmodus zu wechseln.
Relax, baby. Gelingt es uns nicht, das Gedankenkarussell zu stoppen, sind Entspannungsübungen eine gute Wahl. Was ich tue, wenn Grübeleien mich vom Einschlafen abhalten: Ich lege mich im Bett mit dem Gesäß ganz an die Wand, sodass ich die Beine nach oben (an der Wand) ablegen kann.
Das bringt unser autonomes Nervensystem in den Regenerationsmodus. Dazu atme ich in der 4-7-8-Atmung: einatmen auf 4 Zähler, Luft halten auf 7 Zähler, ausatmen auf 8 Zähler – das Ganze mit entspannter Bauchatmung. Auch diese Form der Atmung lädt unser Nervensystem ein, zu entspannen. Praktiziere dies am besten 10 Minuten lang.
Deinen Schlaf zu priorisieren ist ein riesengroßes Geschenk an dich selbst. Dein ganzes System leistet jeden Tag Großartiges und wir brauchen die Zeit in der Nacht dringend, um zu regenerieren und aufzuladen. Ausreichend guter Schlaf trägt dazu bei, dass du deine Stressresistenz und Resilienz steigerst und in deiner Kraft bist.
In diesem Sinne: Schlaf gut!
Über Anne Hehl:
Anne Hehl ist Mental Health Expert. Als Coach:in und Heilpraktikerin für Psychotherapie begleitet sie in ihrer Praxis für Gesunde Individualität Frauen dabei, ihr Leben so zu gestalten, dass sie gesund und fröhlich, kraftvoll und ausgeglichen, zufrieden und erfüllt sind. Dies ist auch die Mission ihrer Yogaangebote: in wöchentlichen Yogaklassen, Workshops und auf Yogareisen schafft sie Räume, die zum Loslassen, Aufladen und „bei-sich-selbst-ankommen“ einladen.
Portrait Anne @ Grit Siwonia
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