4 Frauen mit unterschiedlichen Hautfarben und Kleidergrößen stehen lachend vor eine weißen Wand

Unser Körper: Zu viel, zu wenig – nein, gerade richtig!

Der Körper der Frau war schon immer Thema – zu oft kommentiert, zu wenig akzeptiert. Wie schaffen wir es, ihn zu nehmen, wie er ist? Das Buch „Body Politics“ von Melodie Michelberger liefert ein neues Körperbild, Moderatorin Ninia Binias erzählt von Männern, die ihr den Kopf tätscheln, Journalistin Susanne Kaloff ist in jeder Form großzügig mit sich selbst und Körper Coach*in Barbara Meyer rät uns, mehr auf die Signale des Körpers zu hören.

Wenn ich an meinen Körper denke, dann denke ich zuerst an all die Jahre, in denen ich nicht gut zu ihm war. Ich wollte, dass er schlank ist, obwohl er es schon war. Ich habe nicht auf ihn gehört, als er mir ein Zeichen gab zu ruhen und ich bin immer wieder über seine Grenze gegangen. Dass der Körper mir wichtige Zeichen gibt, habe ich erst Jahre später gelernt und noch heute passiert es, dass ich manchmal nicht richtig zuhöre. Damit bin ich kein Einzelfall: Mir fällt keine Frau ein, die nicht irgendwann mal ein Thema mit dem eigenen Körper hatte oder ihn sich beständig anders wünscht.

Wenn wir Körper in den Medien sehen, dann sind sie meist immer noch weiß, schlank und entsprechen einer Norm. Das damit auch ein rassistisches Bild transportiert wird, wird oft übersehen und es hat sich in die Köpfe gesetzt. Es begleitet uns, auch wenn wir langsam auf dem Weg sind, es aufzudecken. Wann hast du deinen Körper das letzte Mal gefeiert, für all das, was er täglich tut? Kannst du deinen Körper nehmen wie er ist? Ihn feiern und lieben, auch wenn er nicht einer Norm entspricht, die am Ende nur auf Zuschreibungen beruht?

Der Frauenkörper wird zu viel kommentiert

Der Körper der Frau wird gerne und zu oft zum Thema gemacht. Als Angela Merkel 2018 zur Eröffnung der neuen Oper nach Oslo reiste, war nicht die Oper das Thema in den Medien, sondern ihr ausladendes Dekolleté. Wer oder was bestimmt, wann ein Dekolleté zu viel ist? Wann immer Frauen sich zeigen, ist es entweder zu viel oder zu wenig. Man hat den Eindruck, der Körper der Frau ist für irgendjemanden immer nicht in Ordnung.

Die Feministin, Autorin und Aktivistin Melodie Michelberger erzählt in ihrem Buch „Body Politics“ ihre  eigene Geschichte, ihren Kampf mit dem Körper und den nicht enden wollenden Kommentaren und Anfeindungen von außen. „Der Druck auf Frauen ist so hoch wie nie, und wie seit Jahrhunderten bestimmt der männliche Blick, welche Frauenkörper attraktiv sind.“ Im Laufe des Buches gesteht sie sich selbst zu, dass sie eine „…diskriminierende Vorstellung über dick_fette Körper verinnerlicht hatte“. Sie erklärt, dass die Gesellschaft dicke Körper aufgrund einer faulen und falschen Lebensweise als selbst verschuldet ansieht. Heute weiß sie: „Mit dem wachsenden Körper kam ein neues Gefühl der Sicherheit. (…) Jetzt, wo er schwerer ist, voluminöser, bin ich ihm eine bessere Freundin als in all den Jahren zuvor.“ Melodie Michelberger regt dazu an, dass wir aufhören uns ständig zu optimieren,  dass es ok ist mal nichts zu leisten und dass wir einen Blick hinter die perfide konstruierte Diätkultur werfen.

Das Leben wird einfach angenehmer

Warum sollte jede Frau ihren Körper feiern? Ninia Binias, Autorin, Moderatorin und Podcasterin tut sich schwer damit, dass wir den Körper überhaupt feiern müssen, denn es darf auch Dinge geben, die wir nicht an ihm mögen. „Gleichzeitig wird aber“, so sagt sie, „unser ganzes Leben einfach angenehmer, wenn wir den Körper, den wir haben, akzeptieren.“ Ninias Körper entspricht mit 1,38 Meter nicht der Norm. Sie hatte damit zu kämpfen, dass die Gesellschaft bei kleinen Menschen automatisch einen zierlichen Körper voraussetzt. Über die Jahre hinweg hat sie sich mit ihrer Größe und ihrer eigenen Form angefreundet. Das macht auch den Sex besser.

„Wer den eigenen Körper gut findet, kann viel besser kommunizieren, was sie mag und was nicht.“

Ninia Binias

Im Podcast erzählt Ninia mir, dass sie immer von außen betrachtet wird und man ihr auf eine gewisse Art und Weise begegnet. Die Tatsache, dass fremde Männer ihr einfach so im Vorbeigehen den Kopf tätscheln, ist indiskutabel und grenzüberschreitend. Ninia kann sie nicht ändern, genauso wie sie ihre Körpergröße nicht einfach ablegen kann. Sie hat im Laufe ihres Lebens gelernt damit umzugehen. Dennoch hat sie manchmal einfach keinen Bock mehr darauf „Anwältin in eigener Sache zu sein und um einen Platz zu kämpfen, der ihr ganz automatisch gegeben werden sollte.“ Ihr hilft es, sich mit Mode und Make-up auseinanderzusetzen, den Körper zu schmücken und zu betonen.

Wie sie heute mit Anfeindungen dem eigenen Körper gegenüber umgeht? „Ich muss darüber reden, mit einer Freundin oder dem Mann und es hilft mir, mich über die Social-Media-Kanäle mitzuteilen. Ich erlebe die Social-Media-Welt als sehr empowernd und unterstützend.“ Ninia trägt als öffentliche Person aktiv dazu bei, dass wir lernen, Körper fernab der Norm zu akzeptieren. Dennoch wünscht sie sich an vielen Stellen auch politische und vor allem mediale Veränderungen: „Es wird sich zu viel herausgenommen, weibliche Körper in den Medien zu kommentieren. Wir wachsen mit dem Bild auf, körperlich etwas entsprechen zu müssen. Ein ständiges kommentieren, ein nicht richtig oder falsch sein, macht es schwer, den Körper so zu feiern und zu akzeptieren, wie er ist.“

Auf die feinen Signale des Körpers hören

„Der Körper ist unsere wichtigste Ressource“, sagt Barbara Meyer. Die 34-jährige Heilpraktikerin für Psychotherapie und Körper-Coachin hat lange Zeit für einen Konzern gearbeitet und war damals mehr im Kopf als im Körper. Ihre Arbeit mit Klient*innen konzentriert sich auf das autonome Nervensystem. Es geht darum, eine Balance zwischen Anspannung und Entspannung im echten Leben zu finden. „Der Körper ist keine Maschine, sondern er hat eine ganz eigene Sprache. Wenn wir lernen diese Zeichen zu spüren und zu beachten, nehmen wir bewusst Kontakt auf. Das kann eine leichte Hitze im Gesicht sein, ein Kribbeln im Bauch oder auch eine Enge im Brustkorb.“ Das Gute daran: Wir lernen unsere Grenzen zu spüren und können sie damit auch leichter wahren. Ich will von ihr wissen, was wir tun können, um den Körper mit all den Erfahrungen, die er gemacht hat, zu lieben? Barbara betont, dass es keinen Quick-Fix gibt, es ist vielmehr ein Prozess, ein beständiger Weg.

„Körperbewusstsein lernen wir, wenn wir uns zum Beispiel vor den Spiegel stellen und uns selbst anschauen. Und uns dann fragen: Was macht das mit mir? Kann ich würdig anerkennen, was nicht ok ist? Was mag ich an mir und wie fühlt sich das an? Letztendlich ist es aber auch ein Fokus-Shift, denn wenn wir uns von innen heraus ändern und stärken, dann gibt es auch weniger Probleme im Außen.“

Auch wenn wir im Kopf mal wieder wirr sind, kann es sehr hilfreich sein, in den Körper zu spüren. Barbara selbst hört bei wichtigen Entscheidungen immer auf ihren Körper: „Wenn ich eine Enge im Halsbereich spüre, dann weiß ich, dass es nicht richtig ist. Früher dachte ich, dass es um die großen Ziele geht, habe immer noch was oben drauf gepackt und war trotzdem nicht zufrieden. Ich musste erst lernen, dass das Leben nicht immer nur oben ist, auch negative Gefühle gehören dazu.“

Liebe und Mitgefühl – hab ein Herz für dich

Susanne Kaloff, Autorin und Journalistin, ist heute mit sich, dem Körper und dem Leben im Reinen. Für sie war der Körper immer ein Thema, nicht weil sie gern in ihm war, sondern weil sie immer mit ihm gehadert hat. Wenn sie heute Bilder von früher sieht, fragt sie sich, was es an der Susanne von damals auszusetzen gab. Yoga hat ihr geholfen, den Körper zu lieben, wie er ist: „Seit ich vor 20 Jahren mit Yoga angefangen habe, hat sich alles verändert. Es ging immer darum, mich selbst zu lieben und zu akzeptieren, ganz unabhängig davon, was um mich herum passiert.“ Lange Jahre war sie wie im Streit mit sich, fast aggressiv. Das hat sich auch durch Kundalini-Yoga komplett verändert. „Ich habe heute ein viel größeres Herz für mich.“

„Planet Earth ist kein Picknick, sondern sehr herausfordernd.“

Susanne Kaloff

Auch in der Yogawelt gibt es den Körperkult, die starre Disziplin und sie erklärt mir, dass das Verhältnis zur Praxis nicht zu starr werden sollte. Für die 52-Jährige gilt und davon können wir alle lernen: „Ich habe einen lockeren Umgang mit mir und bin in jeder Form sehr großzügig. Lieber den Körper mal ein bisschen bewegen, als gar nicht. Mal konsequent sein mit kalten Duschen und der Atemübung, mal aber auch nicht. Wenn mal eine längere Pause entsteht in der Praxis, dann geht es weniger um Disziplin. Wenn wir wieder anfangen, verändert sich die Energie innerhalb von ein paar Minuten. Das fühlt sich wie ein Uplift an.“

Ich bin begeistert von alldem, was Susanne im Podcast erzählt und frage sie, was es braucht, um den Körper zu akzeptieren? „Einerseits viel Nähe zu sich selbst, um in sich zu sein, sich auszufüllen, zu tragen und zu fühlen. Andererseits die Distanz, die Vogelperspektive zum eigenen Körper.“ Es geht darum, sich dem Körper immer wieder zuzuwenden, sich etwas Gutes zu tun und zu bewegen. „Die Meditation ist für mich das größte Tool, um mich gut zu fühlen. Ich werde dabei so unabhängig von den äußeren Umständen und den Menschen, dass ich eine wunderbare Ruhe und ein Weichsein in mir fühle.“

Und geht es nicht genau darum, dass wir uns im Inneren so wohl fühlen, dass wir mit uns in Ruhe sein können, auch wenn im Außen der größte Sturm tobt? Denn wie schön ist es, wenn es sich in der eigenen Hütte so kuschelig warm anfühlt, wie in einem frisch gemachten Bett?

LOVE YOUR BODY.

Titelbild @ Gemma Chua Tran via Unsplash

0 Kommentare zu “Unser Körper: Zu viel, zu wenig – nein, gerade richtig!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert