Familie & Arbeit – wie schaffen wir das? Eine Super-Mama aus London erzählt.

Kristina Koehnlein ist 39 Jahre alt, lebt in London und hat zwei Kinder im Alter von zwei und vier Jahren. Sie arbeitet in Teilzeit als Lehrerin und erzählt hier von ihrem Alltag, der Queen und warum Karriere für sie ein Job, aber kein Lebensstil ist.

Die perfekte Welt

Karriere und Kinder unter einem Hut, das sieht laut Super-Mama-Ratgeber, Werbeclips und Fernsehserien so aus: Nach einem langen Arbeitstag kommt Mami gut gelaunt und lächelnd die fröhlichen Kinder aus dem Kindergarten und der Schule abholen. Auf dem Nachhauseweg werden intelligente und erzieherisch wertvolle Gespräche geführt. Zuhause bereitet Mami dann eine gesunde und vollwertige Mahlzeit vor, während sie gleichzeitig mit den Kindern Schloss Neuschwanstein aus LEGO baut, den älteren hochqualifiziert bei den Mathe- Hausaufgaben hilft und nebenbei noch irgendwie für Weltfrieden kämpft.  Nach dem gesunden plastikfrei verpackten Abendessen, bei dem herzhaft gelacht wird und sich die intelligenten und erzieherisch wertvollen Gespräche wiederholen – machen sich die lieben Kleinen schnell und ohne zu murren bettfertig, während Mami noch mal kurz die Küche aufräumt und das Haus durchwischt, um dann den Kindern eine geistreiche selbst erfundene Gute-Nachtgeschichte  zu erzählen, bei deren letztem Satz die Kleinen dann auch zufrieden und zuverlässig einschlafen, während Mami lächelnd einen sanften Kuss auf diverse Haarschöpfe drückt, um dann das tadellos aufgeräumte Kinderzimmer zu verlassen. 

Danach widmet sie sich ihrem ambitionierten Sportprogramm, um ihren perfekten Post-kinder-Körper beizubehalten, bevor es zur Entspannung in die Badewanne geht und noch eine halbe Stunde Schönheitspflege unternommen wird. Abgeschlossen wird der Tag mit zwei bis drei Folgen von The Crown, denn was gibt es Schöneres, als einer anderen erfolgreichen Karrierefrau-Mami zuzuschauen. Um 22.00 Uhr liegt Mami glücklich und zufrieden im Bett – denn der Tag einer erfolgreichen Karrierefrau-Mami hat 36 Stunden und macht überhaupt keinen Sinn. 

Gesucht, der übergroße Hut

Tatsache für die meisten Mütter ist wohl das genaue Gegenteil dieses Tagesablaufs. An Zeit für Kinder fehlt es hinten und vorne, für die Karriere sowieso und am meisten für sich selbst. Abstriche werden an allen Fronten gemacht. Der Boden muss gewischt werden? Ach, das macht der Kleine doch sowieso,  wenn er mit dem Hinterteil auf dem Boden rumrutscht. Die Katze hat Flöhe? Nicht so schlimm, die Kinder bringen ja auch immer mal wieder Läuse mit nach Hause. Und wer braucht schon mehr als vier Stunden Schlaf? Schläft nicht Frau Merkel auch nur vier Stunden, freiwillig? Und seht nur, was sie alles geschafft hat.

Karriere und Kinder unter einen Hut bringen, das geht nur, wenn der Hut übergroß ist und aus vielen verschiedenen, perfekt zusammenarbeitenden Elementen besteht. Und man dazu alles mit einer gewaltigen Prise Humor nimmt, was leichter gesagt ist als getan, und dabei würde ich mich keinesfalls als humorlose Person betrachten. 

Mit Schnecken auf dem Weg zum Mars

Ich war immer der Meinung, man könne die beiden vereinbaren. Mit viel Organisationstalent, Disziplin (noch nie meine Stärke) und familiärer oder bezahlter Hilfe sollte sich das doch machen lassen. Allerdings hatte ich dabei wohl die Rechnung ohne die unterbrochenen Nächte und die daraus resultierende gehirnvernebelnde Müdigkeit gemacht. Aufgaben bei der Arbeit, die ich normalerweise innerhalb kürzester Zeit erledigen konnte, brauchen nun doppelt so lange. Und mein Gedächtnis will ich hier gar nicht erst erwähnen. 

Was wollte ich noch gleich sagen? Ach ja, ich hatte auch nicht in Erwägung gezogen, dass Kinder in punkto Geschwindigkeit gerne mit Schnecken konkurrieren und eine so simple Aufgabe wie das Haus zu verlassen einer Mission zum Mars gleichkommt. Ebenso wenig scheine ich beachtet zu haben, dass der Tag eben tatsächlich nur 24 Stunden hat, von denen man mindestens sechs bis sieben in mehr oder weniger schlafendem Zustand verbringen sollte. Und dann sind da ja auch noch Netflix und diverse andere Ablenkungen…

Um also tatsächlich beides zu vereinbaren, sollte man sich folgendes klar machen: Irgendeiner wird dennoch immer leiden, das Kind oder die Karriere und die Mutter sowieso. Man sollte sich von vorneherein Prioritäten setzen und sollten diese bei der Karriere liegen, sich auf schiefe Blicke und blöde Kommentare gefasst machen. Denn leider bestehen diese Klischees in unserer Gesellschaft heute noch zur Genüge. Man sollte außerdem ein exzellentes Netzwerk an Kinderbetreuung aufbauen – von der Kita bis zum Babysitter. Oder aber man gehört zu den glücklichen Menschen mit einer Familie vor Ort, die gerne regelmäßig einspringt. 

Qualitätszeit mit Mami Kläff 

Wenn das schlechte Gewissen zuschlägt – zurückschlagen! Haben die Männer ein schlechtes Gewissen, weil sie jeden Tag von früh bis spät zur Arbeit gehen und den Nachwuchs bei Mami lassen? Eben! Und natürlich spricht auch nichts dagegen, die Rollenverteilung zu überdenken. Wenn „Karriere-Mami“ mehr verdient als Papi, soll er doch daheim bleiben.  Glücklicherweise scheint sich dieses Konzept so langsam herum zu sprechen (Betonung  auf LANGSAM). 

Egal, wie man die Kinderbetreuung jedoch organisiert, sei es Papa, Oma und Opa oder bezahlte Hilfe, wichtig ist es dennoch, Zeit mit den Kindern einzuplanen, und zwar Qualitätszeit , in der man den endlosen Geschichten seiner Kinder bedingungslos zuhört und alle Fragen geduldig und so wahrheitsgetreu wie möglich beantwortet. „Ein Friedhof ist ein Ort, an dem kaputte Menschen immer schlafen.“ Mit ihnen etwas kindgerechtes unternimmt, oder ganz einfach mit ihnen spielt – und ja, auch wenn das bedeutet die Rolle von Mami Kläff (aus Peppa Wutz) zu übernehmen und als solche zwei Stunden lang imaginäre Feuer zu löschen. Daher sollte – Karriere hin oder her – zumindest das Wochenende den Kindern gehören, hat man während der Woche doch kaum oder keine Zeit für sie. 

Karriere als Teil eines Ganzen

Entscheidet man sich aber ganz bewusst, seine Karriere auf Eis zu legen, dann muss diese halt warten. Oder aus einer Karriere wird eben ein Job. Oder sogar Teilzeit-Job. Nach der Geburt meines ersten Sohnes konnte ich es zum Beispiel kaum erwarten, zehn Monate später wieder zur Arbeit zurückzukehren und meine Arbeitstage sogar noch von drei auf vier zu erhöhen. Nicht, dass ich meinem kleinen Sohn aus dem Weg gehen wollte, aber nach meinem Mutterschaftsurlaub habe ich die Rückkehr ins Leben mit anderen Erwachsenen außerhalb von Mama-Baby-Yoga und Kindermusikgruppen definitiv genossen. 

Nach der Geburt meines zweiten Sohnes allerdings hätte ich nichts gegen eine Verlängerung meines Mutterschaftsurlaubs gehabt und drei Arbeitstage finde ich bis heute – zwei Jahre später – erfüllend genug. 

Natürlich heißt das nicht, dass das nun dauerhaft so bleiben muss, aber im Moment könnte ich es mir nicht vorstellen, noch mehr Herausforderungen anzunehmen. Das wird sich bestimmt auch mal wieder ändern. Spätestens dann, wenn beide Kinder zur Schule gehen, nachts regelmäßig ohne Pipi-Panne und Nachtschreck schlummern und vielleicht sogar in naher Zukunft beginnen, länger als bis Sonnenaufgang zu schlafen. Kommt Schlaf kommt Rat. 

„Karriere“ ist für mich persönlich ein Job, aber kein Lebensstil. Ein Teil eines Ganzen, zu dem auch Familie, Freunde und Freizeit gehören. Nur eines alleine macht für mich kein erfülltes Leben aus, daher ist es wichtig, eine Balance zu finden, indem man sich Zeit für alles, was einem wichtig ist, einräumt.

Wenn es auch nur ein bisschen Zeit ist, dann aber bewusst und voll und ganz bei der Sache. Und wir sollten ja auch nicht vergessen, dass unsere Kinder nicht immer jung bleiben und jegliche Karriere Unterbrechung wahrscheinlich kaum länger als 18 Jahre dauern wird. Und was sind schon 18 Jahre bei unserer heutigen Lebenserwartung?!

Kategorien Mama

Kristina Köhnlein lebt mit ihren beiden kleinen Söhnen in London, wo sie als Deutschlehrerin an einer Mädchenschule arbeitet. Sie befindet sich auf einer Mission, den schlechten Ruf der deutschen Sprache unter englischen Schülern zu verbessern.

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