Ernährungspsychologin Cornelia Fiechtl geht in ihrem Buch „Food Feelings“ mit Sachkenntnis den Gründen für emotionales Essverhalten nach. Im Interview erklärt sie, warum psychischer und physischer Hunger nicht dasselbe sind. Mit wertvollen Tipps rund um achtsames und intuitives Essen sowie Körper-Respekt.
Was sind die Gründe für ein emotionales Essverhalten?
Zum einen ist es eine Strategie zur Emotionsregulation bei Stress, Anspannung, Traurigkeit und Ärger. Meist sind es Gedanken, wie „ich bin unzureichend“ oder „ich muss das besser machen“. Und oftmals ist emotionales Essen auch die Folge von Diäthalten. Dabei kommt es zu einer besonders positiven Bewertung von verbotenen Lebensmitteln. Der Drang diese zu essen, steigt an.
Bilder @ Patrick Schörg
Wie hängen Essen und Emotionen zusammen?
Emotionen beeinflussen unser Essverhalten: Sie haben einen Einfluss darauf, was wir essen (was tut mir gut, was nicht), auf das Ess-Tempo, die Auswahl der Speisen und die Verdauung (z. B. haben wir unter Stress eine schlechtere Verdauung). Gleichzeitig beeinflusst die Nahrung, die wir essen unsere Emotionen. Es kommt zum Beispiel zu Genuss und Freude. Und wenn wir etwas nicht so gut vertragen, schlägt uns das auch auf die Stimmung.
Warum brauchen wir Emotionen, um zu essen?
Ohne positive Emotionen gegenüber dem Essen, essen Menschen nichts. Dann herrscht Appetitlosigkeit. Die Koppelung an sich, ist also gut und richtig.
Was versuchen wir übers Essen zu kompensieren?
Meist sind es Gefühle wie Selbstzweifel, Stress und Ärger.
Wie sieht ein gesundes Essverhalten aus?
Wenn wir gesund essen, haben wir einen befreiten Umgang mit Lebensmitteln und zügeln uns nicht. Wir achten auf die wichtigen Körpersignale wie Hunger, Sättigung und Verträglichkeit und es gibt so etwas wie Gusto und Genuss beim Essen. Der Zugang zu Lebensmitteln (vs. Bewertung von Lebensmitteln) ist neutral und wir essen zumindest zu einem Großteil unserer Zeit bewusst, statt nebenbei am Computer. Wir machen keine Religion aus dem Essen, es darf einen Raum einnehmen, aber nicht zu viel Raum. Zu guter Letzt essen wir vielfältig und nährstoffreich.
Was verbirgt sich hinter Körperrespekt und wie können wir diese Art von Respekt lernen?
Dahinter verbirgt sich eine Wertschätzung für das, was der Körper leistet. Wir sorgen uns um den Körper und geben ihm das, was er braucht, zum Beispiel Nahrung, Ruhe, Pausen und Bewegung. Das alles ist nicht zu verwechseln mit Selbstliebe, denn wir müssen den Körper nicht unbedingt lieben. Es geht vielmehr um Wertschätzung und Selbstfürsorge. Wir lernen Körperrespekt, indem wir verstehen, dass wir unser Essen nicht verdienen müssen. Wenn wir den Körper ständig kritisieren, fördert das ein ungesundes Essverhalten sowie Selbstzweifel. Es hilft, den Körper als Ganzes zu betrachten, statt uns auf einzelne Körperteile zu fokussieren und diese abzuwerten.
Was sind die Unterschiede zwischen psychischem und physischem Hunger?
Physischer Hunger ist durch Körpersignale bemerkbar, das heißt dem Körper fehlen Nährstoffe. Psychischer Hunger: Hierunter verstehen wir eine Lust auf Lebensmittel, die nicht unbedingt mit körperlichem Hunger gleichzeitig eintritt. Der psychische Hunger entsteht plötzlich und er bezieht sich auf konkrete Speisen.
Warum essen wir unter Stress?
Wir erfahren durch das Essen Glückshormone, die im Körper ausgeschüttet werden. Das aktiviert unser Entspannungssystem im Körper. Gleichzeitig wird mit dem Essen vorgesorgt, sodass wir genug Energie haben, um chronischen Belastungen zu begegnen.
Wie gehen Sie mit ihren Emotionen um, wie arbeiten Sie damit?
Generell nehme ich wahr, was ist, und bewerte nicht. Ich übe mich im Erkennen der Bedürfnisse und achte darauf, was ich brauche. Bei einer konkreten Emotion wie Ärger, nehme ich diese wahr und frage mich dann, warum ich mich ärgere. Ich versuche meine Emotionen auch mal da sein lassen und sie nicht wegzudrängen, sondern ihnen Raum zu geben. Ich finde, Emotionen geben uns eine Orientierung fürs Leben. Über sie finden wir heraus, was unsere Werte sind, was uns gut tut und was wir im Moment gerade brauchen.
Cornelia Fiechtl ist Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin sowie Yogalehrerin mit Schwerpunkt Yogatherapie. Während ihrer Tätigkeit in Kliniken und diversen Projekten wurde ihr bewusst, dass angewandte Behandlungsansätze oftmals „einseitig“ sind. Fiechtl beschäftigt sich mit Themen wie achtsamem und intuitivem Essen sowie Körperrespekt und begleitet Personen zu einem gesunden Essverhalten. Sie unterrichtet Diätolog*innen in Ausbildung, betreibt den Podcast „Food Feelings“ und die ACHTSAM ESSEN AKADEMIE.
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