Wir wissen, wie wichtig Bewegung für den Körper ist, damit wir nicht einrosten. Aber wissen wir auch, dass Körperhaltungen einen Einfluss auf unsere Psyche und unser Wohlbefinden haben? Die Embodiment-Forschung geht davon aus, dass Psyche und Körper in einer wechselseitigen Verbindung stehen. Wir erklären den Ansatz und haben mit Dr. Maja Storch gesprochen.
Ich bin gerade mit dem Auto im Rückwärtsgang gegen einen Stein gefahren. Es hat gekracht. Das Kind weint. Vor mir steht ein anderes Auto, das einfach nicht zurückfahren wollte. Ich spüre Wut in mir hochkommen. Und bin längst im Stressmodus, als ich aufbrausend aussteige, um nachzuschauen, was alles kaputt ist. Das Auto samt Fahrer legt den Rückwärtsgang ein und fährt einfach davon. Ich werde noch wütender.
Hätte ich in dem Moment einen Bodyscan, ein gedankliches Abtasten des Körpers, gemacht, wäre folgendes herausgekommen: Mein ganzer Körper fühlte sich heiß und warm an. Die Muskeln waren auf Hochspannung, fast wie beim Lagree-Training. Ich spürte mein Herz in der Brust schlagen. Die Hände starr und fest. Der Blick angespannt, der Kiefer weit entfernt von locker.
Nach dem Ereignis ging ich auf die Yogamatte. Ich hatte das Gefühl die Wut und der Ärger über mein eigenes Verhalten müssen schnell aus mir raus. Ich schüttelte mich, ich atmete tief ein uns aus, machte viele Sonnengrüße, ein paar Kraftübungen, Rückbeugen und blieb länger im Kopfstand als sonst. Ich wollte die Energie, die sich in mir aufgestaut hatte, loswerden und wollte nicht, dass sie an mir kleben und im Körper bleibt.
Warum? Weil Körperhaltungen und alles, was wir im Körper abgespeichert haben eine Auswirkung auf unser Seelenleben, auf die Psyche haben.
Der Körper – Spiegel der Seele
Die Embodiment-Forschung geht davon aus, dass unser kognitives System und unsere Psyche in einer Verbindung zu unserem Körper stehen. Eine körperliche Reaktion ist oftmals das Ergebnis eines psychischen Prozesses. Wenn wir zum Beispiel verliebt sind, ist der Körper geöffnet, ein Gefühl von Weite und Leichtigkeit stellt sich ein.
Doch da ist noch mehr – Körper und Psyche bedingen sich gegenseitig. Unsere Körperhaltung hat eine Auswirkung darauf, wie wir uns fühlen. Sitzen wir aufrecht und gerade, sind wir motivierter und halten länger durch als jemand, der krumm und eingefallen am Tisch sitzt. Menschen, die viel lächeln, sind empathischer als andere und sehen die Dinge positiver als die, die ein dauerndes Stirnrunzeln mit sich herumtragen.
Das bedeutet auch: Alle Erlebnisse und Erfahrungen sind nicht nur im Großhirn abgespeichert, sondern in unserem gesamten Körper. Neben Erfahrungen und Erlebnissen sind auch Glaubenssätze im Körper repräsentiert. Diese können sich als wiederkehrende Bewegungsmuster oder Muskelspannungen zeigen. Man könnte sagen, der Körperausdruck des Menschen ist geprägt von seinem Inneren.
Dr. Maja Storch ist Psychologin, Mit-Erfinderin des Züricher Ressourcenmodells und hat mehrere Bücher über Embodiment geschrieben. Sie erklärt mir, dass unter dem Begriff Embodiment wissenschaftliche Ansätze zusammengefasst werden, die sich mit der Wechselwirkung von Psyche, Körper und Umwelt befassen.
Die richtige Bewegung finden
Ich will von ihr wissen, warum richtige Bewegung, so wichtig für den Körper, aber vor allem auch für die Seele ist. „Dass der Körper sich bewegen muss, kann ihnen jede Physiotherapeutin sagen. Aber, dass die Psyche sich in einem bewegten Körper besser fühlt, als in einem erstarrten Körper, das ist schon weniger bekannt.“
Ich denke an das Beispiel von oben und erinnere mich, wie furchtbar sich dieses Erstarren angefühlt hat und wie das Durchschütteln des ganzen Körpers war. Sie führt weiter aus:
„Wenn ich innerlich in Bewegung kommen will, muss ich auch körperlich beweglich sein, das ist eine Kernbotschaft der Embodiment-Ansätze für die Psychologie.“
Bewegung an Gefühle anpassen
Um ein schlechtes Gefühl in ein gutes zu verwandeln, müssen wir in Bewegung kommen. Es gibt natürlich Bewegungen, die besser dafür geeignet sind und andere schlechter, aber ich finde es in einem vollgestopften Alltag mit Kind am besten, wenn man das anwendet, was gerade zur Hand ist und sich einfach umsetzen lässt. Yoga, ein schneller Spaziergang oder ein kräftiges Schütteln vor dem nächsten Call.
Mir hilft es sehr, wenn ich die Bewegung an das Gefühl anpasse. Bei Wut weiß ich, die muss raus. Das tut mir nicht gut, ich muss mich auspowern, um dann in die Ruhe zu gehen, um an das hinter der Wut liegende Gefühl, zum Beispiel, Trauer zu kommen. Bei Traurigkeit sind es eher fließende ruhige Bewegung und aktivierende Atemübungen. Bei schlechter Laune hilft es mir, zu hüpfen. Und immer dabei der Atem.
Bilder sind besser als Worte
In Sachen Übungen erklärt mir Dr. Maja Storch, dass wir den Körper besser über Bilder als über Worte erreichen. Sie empfiehlt, dass wir uns, wenn es uns nicht gut geht, ein Bild suchen, dass eine Ressource darstellt, die guttut.
„Eine ganz einfache Übung ist, sich in das Bild hineinzustellen und es im Körper lebendig werden zu lassen. Wenn ich zum Beispiel unruhig bin, kann ich das Bild von einem Lavendelfeld in der Provence wählen und mich mental mitten in dieses Lavendelfeld stellen, den Duft einatmen, die Sonne auf der Haut spüren und die Landschaft genießen. Bei diesem Vorgang wird sich meine Atmung ändern, meine Körperhaltung und meine Körperspannung – ganz ohne Verstandestätigkeit. Und schon habe ich die Basis für ein Beruhigungs-Embodiment gelegt.“
Die Embodiment-Theorie verdeutlicht, dass wir bei allem immer auch den Körper mit einbeziehen müssen. Und es zeigt, wie wichtig die alltägliche, kleine Bewegung, fernab von Fitness und körperlicher Gesundheit für uns ist.
Über Dr. Maja Storch:
Dr. Maja Storch ist Jungsche Psychoanalytikerin, Psychodramatherapeutin, Supervisorin und Coachin. Sie ist Inhaberin des Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich (ISMZ) und Miterfinderin des Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®)
Buchtipps
Titelbild @ Apex 360 via Unsplash
0 Kommentare zu “Embodiment – Wechselwirkung zwischen Körper und Seele”