Susanne Liedtke

Wechseljahre, was tun? Ein Interview mit Susanne Liedtke von Nobodytoldme.

Susanne Liedtke ist die Gründerin von Nobodytoldme – einer Wissensplattform mit Kursen und Beratung rund um die Wechseljahre. Im Interview plädiert sie für eine Enttabuisierung der Wechseljahre und verrät, was Frauen dabei helfen kann, gut durch diese Phase zu kommen. 

Was hat dir vorher niemand über die Wechseljahre gesagt?

Susanne: Alles, denn richtig erzählt hat mir niemand etwas über die Wechseljahre. Nichts über die Beschwerden, nichts über die Dauer, nichts über den Sinn. Als Kind erinnere ich mich, dass mal eine Freundin meiner Mutter hinter vorgehaltener Hand und mit ernster Miene über eine Bekannte sagte: “Sie ist im Wechsel.”

Wie hat deine Mutter die Wechseljahre erlebt?

Susanne: Ich hatte als drittes von vier Kindern die Wechseljahre meiner Mutter noch in guter Erinnerung. Sie hat mit Wechseljahren ihren ganz persönlichen Tsunami erlebt und sie ist da auch gar nicht so schnell wieder herausgekommen.

Ihr Gynäkologe verschrieb ihr wegen des schlechten Schlafes Schlaftabletten, von denen sie abhängig wurde. Sie hatte aufgrund von Myomen sehr heftige Blutungen und in der Folge mehrere Ausschabungen, bis dann die Gebärmutter entfernt wurde. Erst nach einer Kur, bei der meine Mutter eine Hormon-Ersatz-Therapie verschrieben bekam, ging es ihr wieder gut. Das Ganze hat sich gefühlt über mehrere Jahre hingezogen.

Aber es wurde da nicht wirklich darüber gesprochen. Erst im Nachhinein mit dem Wissen von heute fügten sich die einzelnen Puzzleteile zusammen. Meine Mutter ist heute 85 Jahre alt und gut drauf. Sie kann sich zum Glück nicht mehr an diese Zeit erinnern.

Warum schweigen wir, wenn es um diese besondere Zeit geht? 

Susanne: Weil spätestens seit dem Mittelalter und dem Einfluss männlich geprägter Kirchen alles, was mit Periodenblut, Fruchtbarkeit und dem Ende eben dieser zu tun hat, schambehaftet ist. Ich habe viel darüber in Liv Strömquists Buch Der Ursprung der Welt gelernt. 

Außerdem wird in westlichen Gesellschaften die Jugend überhöht und das Alter abgewertet. Warum sonst gibt es Anti-Aging Cremes und diverse andere Mittel und Prozeduren, um sich seine Jugendlichkeit möglichst lange zu erhalten?

Ältere Frauen können dann noch mal besonders von Diskriminierung betroffen sein. Sie werden oft als unsichtbar, unattraktiv oder irrelevant angesehen, während ältere Männer tendenziell als positiver wahrgenommen werden, erfahrener und weiser.

Wir finden “Gendered Ageism” in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens: in der Arbeitswelt, in der Medienlandschaft und leider auch in der Gesundheitsversorgung.

Susanne: Mit dem Ansprechen der Wechseljahre outen wir uns mit dem Älterwerden und mit allem Stigma, welches daran hängt. Das erfordert Mut, insbesondere für Frauen in den Medien und im Job. Wer macht das freiwillig?! Jetzt haben wir Frauen solange dafür gekämpft, mit den Männern auf Augenhöhe angesehen zu werden und das Thematisieren der Wechseljahre torpediert das, was wir bis hierhin geschafft haben. Das ist zumindest eine berechtigte Vermutung.

Und last not least ist es so, wie mit dem Versteckenspielen bei kleinen Kindern: wenn wir nur die Augen zu halten, dann wird es uns schon nicht erwischen 😉

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Wie erlebst du das Älterwerden – für dich allein und in der Gemeinschaft mit anderen Frauen?

Susanne: Ich empfinde die körperlichen Beschwerden als echte Herausforderung. Ich muss auch heute viel mehr dafür tun, um dieselbe Energie zu haben wie noch in jungen Jahren. Oder andersherum: wie gnädig mein Körper mit mir in der Vergangenheit war, ohne dass ich ihm auch nur einmal dafür gedankt habe!

Alkohol, Zucker, Stress, Fast Food, … wenn mein Körper meine Freundin wäre, dann könnte sie zurecht bis zum Ende meines Lebens sauer auf mich sein. Ich habe sie einfach nicht wirklich gut behandelt und alles für selbstverständlich genommen.

Das ist heute anders. Mein Körper und ich: wir sind ein Team und ich bemüh mich sehr, ihn gut zu behandeln. Ich stelle mir zum Beispiel keinen Wecker mehr. Und siehe da: Ich brauche neun Stunden Schlaf und die geb ich uns dann auch. Mit Vergnügen.

Was die Gemeinschaft mit anderen Frauen anbelangt, so suche ich sie heute viel mehr als früher. Früher haben mir Ansammlungen von vielen Frauen eher Angst gemacht. Das gegenseitige Beäugen, das Gefühl, nicht reinzupassen (weil mir das “Handtaschen-Gen” einfach fehlt, auch das Lästern über andere …). Heute erlebe ich Frauenfreundschaften als eine große Bereicherung, als etwas Gebendes und Wertschätzendes.

Darin sehe ich eine ganz große Kraft: Wenn wir Frauen uns – unabhängig von Äußerlichkeiten – gegenseitig stärken, kann so viel Gutes entstehen. Unsere Welt braucht das. Wir haben immer noch auf vielen Ebenen ein Übergewicht an männlicher Energie. Mehr Vielfalt tut uns allen gut.“ 

Welche Rolle spielt die Ernährung in dieser besonderen Zeit?

Susanne: Eine ganz, ganz große. Spätestens jetzt müssen wir auf unseren Körper viel mehr Acht geben. Er verzeiht uns nicht mehr alles. Hinzukommt, dass Frauen überproportional von entzündlichen Erkrankungen betroffen sind: Rheuma, Hashimoto, Alzheimer – um hier nur einige zu nennen. Es braucht eine antientzündliche Ernährung, wie ich sie in den Body-Reset-Kursen anbiete.

Wie können wir herausfinden, ob wir in den Wechseljahren sind und was sind die ersten wichtigen Steps, die man unternehmen sollte?

Susanne: Es ist immer eine gute Idee, den Zyklus zu tracken. Gibt es Unregelmäßigkeiten? Verändert oder verkürzt sich die Zykluslänge um plus minus sieben Tage in aufeinanderfolgenden Monaten, dann sind wir in der frühen Perimenopause. Viele Beschwerden treten aber schon in der späten Prämenopause ein: schlechter Schlaf, Stimmungsschwankungen, PMS, abnormale Blutungen, Muskel- und Gelenkschmerzen.

Meine Empfehlung für Frauen: Lest euch rechtzeitig – also mit Anfang Vierzig – ins Thema ein. Die gereizte Frau von Miriam Stein ist ein gutes Buch dazu. Oder auch Woman on Fire von Dr. Sheila de Liz oder aber ihr macht mal den Fragebogen Bin ich drin? auf nobodytoldme.com.

Außerdem würde ich beim Kleinen Blutbild, auf welches Kassenpatientinnen alle drei Jahre Anspruch haben, auch auf eigene Kosten die Schilddrüsenhormone und die Antikörper mitbestimmen lassen. Eine Fehlsteuerung der Schilddrüse kann ähnliche Symptome wie die Wechseljahre hervorrufen und das sollte im Blick behalten werden.  

Was gibt es für einen Zusammenhang zwischen Lebensmitteln und dem Hormonstoffwechsel der Frau?

Absolut ja, den gibt es. Hoher Zuckerkonsum ist der größte Störer des weiblichen Hormonstoffwechsels. Erhöhte Blutzuckerwerte führen auf Dauer zu erhöhten Insulinspiegeln und das führt wiederum zu erhöhten Östrogen- und Testosteronspiegeln. 

Eine ballaststoffarme Ernährung, wie sie ca. 75% der Frauen in Deutschland bevorzugen, führt dann dazu, dass wir u.a. überschüssiges Östrogen nicht ausscheiden und so wird es rückresorbiert in den Körper. Die Folge ist eine Östrogendominanz.

Ein Zuviel an Milch, Käse, Koffein, Gluten und Fruktose aus Trockenfrüchten und Süßgetränken können sich auch negativ auswirken. 

Es ist aber nicht nur die Ernährung, auch die Umweltgifte können unseren Hormonstoffwechsel aus der Balance bringen. Allen voran sind hier BPA aus Kunststoffflaschen und Phthalate aus Parfums zu nennen. Beide wirken reproduktionstoxisch, lösen entzündliche Prozesse in den Eizellen aus. Wir brauchen aber gesunde Eizellen, damit wir Östrogen und Progesteron produzieren können.    

Was passiert im Body-Reset-Kurs und für wen ist der Kurs geeignet?

Beim Body Reset Kurs stellen Frauen in nur 21 Tagen ihre Ernährung um. Sie essen zunehmend mehr pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Nüsse, Saaten, Pilze, Kräuter, Gewürze und Hülsenfrüchte und sie lassen schrittweise mögliche störende Lebensmittel weg.

Es ist ein Experiment, welches jede Frau mit sich selber macht und ich begleite sie dabei. Am Ende ernähren sie sich fast vollständig antientzündlich. Dabei haben sie neue Rezepte ausprobiert, neue Gewohnheiten gelernt wie das Meal Prep und andere Frauen kennengelernt, die genauso wie sie raus wollten aus der Heißhunger-Spirale.    

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Welche Geschichte, die du im Rahmen des Kurses erlebt hast, hat dich am meisten berührt?

Da gibt es viele. Eines Tages bekam ich Monate nach dem letzten Kurs eine Sprachnachricht von einer ehemaligen Teilnehmerin. Sie kam gerade von der jährlichen Kontrolle von ihrem Hausarzt. Und sie war total aufgewühlt. Seit 15 Jahren leidet sie unter der Hashimoto-Erkrankung, einer Schilddrüsenunterfunktion.

Der Arzt konnte beim Ultraschall keine Entzündungsherde mehr feststellen und sie wollte es zunächst nicht glauben. Die Blutwerte haben es dann bestätigt: die Entzündungsmarker waren um die Hälfte reduziert.

Und dann gibt es noch ein Body Reset Baby – zumindest möchte ich das glauben. Eine 38-jährige Frau kam völlig aufgelöst in meinen Kurs. Ihre Osteopathin hatte sie geschickt. Sie war hormonell komplett durch den Wind. In den 21 Tagen hat sich ihre Stimmung, ihre starkes PMS und ihre Migräne deutlich verbessert.

Ca. 100 Tage nach dem Kurs meldet sie sich mit dieser Nachricht: “Ich bin schwanger. Meine Gynäkologin hatte mir zwar prophezeit, dass es ca. ein Jahr dauern würde, aber es hatte direkt geklappt.” Nun braucht eine Eizelle ca. 100 Tage um zu reifen.

Es kann Zufall gewesen sein, dass sie schwanger wurde, aber es gibt noch eine weitere Teilnehmerin aus einem späteren Kurs, die ca. 120 Tage nach Beendigung des Kurse schwanger wurde. Wir sollten uns viel mehr mit der Power von Ernährung beschäftigen.  

Was brauchen Frauen, die in den Wechseljahren sind?

Neben den üblichen Verdächtigen wie ausreichend Schlaf (was gar nicht so einfach ist), eine antientzündliche Ernährung, Stressreduktion und Bewegung, sollten wir uns jetzt verstärkt um uns selbst kümmern. 

Frauen brauchen vor allem Wertschätzung für sich selbst. Alles andere ergibt sich daraus. Spätestens jetzt sind mal nicht immer die anderen dran, sondern wir selbst.

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Was soll sich in den nächsten Jahren ganz konkret im öffentlichen Umgang mit dem Thema verändern?

Wir brauchen eine Normalisierung der Wechseljahre. Sie gehören wie die Pubertät und die mögliche Schwangerschaft zum Leben der Frau dazu. Jede Frau geht dadurch und endlich reden wir jetzt auch mal darüber.

Wenn alle mehr darüber wissen, können sich Frauen auch schneller die richtige Hilfe holen, sofern sie sie brauchen. Insofern sollten sich auch Arbeitgeber:innen vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels intensiver mit dem Thema beschäftigen. Vodafone, bonprix und SAP machen das schon. Aber es braucht noch viel mehr Unternehmen und Institutionen, die dem Beispiel folgen.

Wir sollten alles auch wissen, warum es die Wechseljahre überhaupt gibt. Nur ganz wenige Säugetierarten überleben, wie wir Menschen ihre eigene Fruchtbarkeit, kommen also in die Wechseljahre.

Es ist von Vorteil, wenn ältere Frauen nicht mehr fruchtbar sind, sondern Ressourcen frei haben, um ihre Erfahrung und Weisheit in die Gemeinschaften zurückzugeben, in denen sie leben. Im Tierreich haben die Enkel eine größere Überlebenschance, wenn die älteren Weibchen lange leben. Bei den Orcas sterben die Männchen mit ca. 50 Jahren, aber die Weibchen werden bis zu 90 Jahre alt.

Insofern braucht es auch eine neue Wertschätzung für ältere Frauen. Wir werden zu einer besseren Gesellschaft, wenn wir viel von ihrem Wissen und ihrer Weisheit profitieren können.“  

Was mir besonders wichtig ist:

Die oben genannte Wertschätzung sollte sich auch in unserem Gesundheitssystem zeigen. Es braucht überhaupt erst einmal eine Beratungspauschale, die Gynäkolog:innen für eine Beratung abrechnen können. Aktuell gibt es zwar eine Pauschale für eine Verhütungsberatung, aber es gibt keine gesonderte Pauschale für eine Wechseljahresberatung.

Für eine Kassenpatientin bekommt die Gynäkologin pro Quartal für eine allgemeine Beratung ca. 16,89 Euro – egal wie häufig die Patientin kommt. Das ist mit der Grund, weshalb sich Patient:innen von Gynäkolog:innen häufig nicht ernst genommen fühlen. Dabei sind nicht die Ärzte Schuld, das System ist krank.

Über Nobodytoldme

NOBODYTOLDME kämpft seit 2019 dafür, dass Frauen gut vorbereitet und sich selbst wertschätzend in und durch die Wechseljahre gehen. Wir empowern mit Wissen, enttabuisieren und klären unerschrocken auf. Wir bieten für Frauen und Unternehmen persönliche Beratungs-Angebote: das erfolgreiche Ernährungsprogramm BODY RE:SET, Vorträge sowie die Vernetzung mit Expert:innen und den Austausch innerhalb der Nobodytoldme Community. Von Frauen für Frauen. NOBODYTOLDME ist bekannt aus dem Fernsehen (Spiegel TV) und aus führenden deutschen Frauenmagazinen (u.a. ELLE, Madame, Brigitte Woman, Petra, Für Sie).

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Über Susanne Liedtke

NOBODYTOLDME wurde von Ex-Google Mitarbeiterin Susanne Liedtke gegründet. Ihren Job bei Google kündigte sie mit 49 Jahren, um alles rund um die Wechseljahre zusammenzustellen, was Frauen dabei helfen kann, gut durch diese Phase zu kommen. Susanne hat einen Diplomabschluss in Oecotrophologie. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.

Alle Bilder @ helenfischer

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