Mona Bektesi über Yoga in der Schule

Yoga und Achtsamkeit in der Schule, geht das? Ein Interview mit Mona Bekteši.

Brauchen wir Atemübungen in der Schule? Krieger 2 im Klassenraum? Kapalabhati vor der Geschichtsstunde oder Savasana am Nachmittag? Redakteurin Nicole Reese hat die Schul- und Yogalehrerin Mona Bekteši zum Interview getroffen.

Füße klappern leise am Boden, Finger schieben gegeneinander und der Magen ist in heller Aufruhr. Klassenarbeit. Habe ich die Fragen richtig verstanden? Weiß ich genug? Wer kennt das nicht, die Nervosität und Aufregung, wenn das eigene Wissen abgefragt wird oder ein Referat bevorsteht.

Tief in den Bauch zu atmen und die Füße fest im Boden zu verankern, hilft dabei, sich zu zentrieren – nicht nur bei Prüfungsstress. Auch bei vielen anderen Herausforderungen, die der Schulkontext mit sich bringt, können der Atem und andere Techniken des Yoga unterstützend sein.

Wir haben die Yoga- und Bildungsexpertin Mona Bekteši gefragt, wie sich durch Yoga mehr Gelassenheit und Konzentration in den Schulalltag integrieren lässt und wie Schüler:innen und Lehrer:innen gleichermaßen von mehr Achtsamkeit profitieren.


Mona, Yoga in der Schule – machen da sofort alle in der Klasse mit?

Mona: Ja, meistens siegt die Neugier und viele Schüler:innen sind sofort Feuer und Flamme. Wie wir Erwachsenen spüren sie schnell, dass diese uralten Übungen ihnen guttun. Grundsätzlich sind die Yogasets freiwillig und laufen ohne Zwang ab.

Nichtsdestotrotz bitte ich die Schüler:innen erst mitzumachen und sich auf etwas Neues einzulassen, bevor sie sie ablehnen. Und falls es mal überhaupt nicht geht, akzeptiere ich das: Jeder kann ja mal einen schlechten Tag haben. Und so oft kommt das zum Glück nicht vor.

Yoga kann schließlich nicht verordnet werden, sondern will als ein Freiheitsgrad erlebt werden, damit es Körper und Geist zusammenführen und in Resonanz bringen kann. Die jungen Menschen spüren, dass sie hier ihren Zugang selbst finden dürfen. Meist gelingt das atmosphärisch, nicht auf Druck.


Wie integrierst du Yoga und Achtsamkeit in den Schulalltag?

Ich passe die Yoga- und Achtsamkeitsset an den Rhythmus des Schulalltages an. Das heißt, dass ich jeden Montagmorgen mit einer Runde Yoga und Achtsamkeit im Klassenraum starte. Nichts Wildes, nichts Langes, einfach etwas, damit wir uns alle fokussieren und zur Ruhe kommen.

Wir üben auch Yogasets für stressige Situationen ein: Das parasympathische System zu aktivieren, ist oft viel einfacher als man denkt.

Je früher man erlernt, dass man alles in sich trägt, was man braucht, desto besser.


Gibt es auch extra Yogazeiten neben dem Unterricht?

Neben diesen einfachen und kurzen Yogasets im Klassenraum, biete ich Yoga-Mittagspausen an, die für alle offen sind – vom Fünftklässler bis zu den Lehrer:innen in ihren Sechzigern. Es macht irre Spaß zu sehen, wie Alt und Jung sich fernab des Lärms des Schulhauses bewegen und in Savasana entspannen.

Ein besonderes Highlight im Schuljahr ist die Projektwoche: Dort üben wir Yoga mit allem, was dazu gehört und blicken ein wenig über den Tellerrand inclusive einer kurzen Exkursion zu gesunder Ernährung sowie den Yamas und Niyamas.

Brauchen wir Yoga als extra Schulfach? 

Yoga arbeitet seit über 3000 Jahren nach dem Prinzip der geistigen und körperlichen Gesunderhaltung und Beweglichkeit: Es gilt mens sano in corpore sano. Unser Bestreben danach ist kultur- und generationenübergreifend.

In unserer westlichen Welt hat sich die Sehnsucht nach Alterslosigkeit entwickelt und ganze Industrien arbeiten mit der Illusion, sie bereitzustellen – selbst sehr junge Menschen sind von dieser Illusion erfasst. In Wahrheit können wir unser Leben gesunderhaltend gestalten und so tatsächlich für seine glückliche Verlängerung sorgen.

Im Yoga ist eine nicht-hedonistische und nicht-narzisstische Vorgehensweise beispielhaft aufgezeigt. Dies von klein auf in der Schule zu erlernen, würde uns allen guttun und wahrscheinlich zu mehr Resilienz und Verantwortungsbewusstsein führen.


Worauf ist bei Yoga im Schulkontext besonders zu achten? Wie kann ich Yoga integrieren, ohne selbst Yogalehrer:in  zu sein?

Yoga in der Schule ist anders, eben kein höher, schneller, weiter. Keine Konkurrenz und kein Leistungsdruck. Und natürlich versteht es sich von selbst, dass Yoga im Klassenraum nicht so gymnastisch und akrobatisch ist wie Yoga auf der Matte.

Vielmehr geht es um Freude beim Üben und die Entspannung im Anschluss, die an erster Stelle stehen. Platz braucht man auch nicht viel: Es gibt fantastische Asanas im Sitzen oder im Stehen. Und wie immer gilt: Weniger ist mehr.

Mein Favorit ist der gute alte Dreiklang: Eine Atemübung, eine Achtsamkeitsübung und eine Asana. In meinem letzten Buch „Achtsamkeit und Entspannung in der Schule“, das ich zusammen mit Sandra Walkenhorst geschrieben habe, findet ihr ein 4-Wochen-Programm, das genau auf diesem Prinzip beruht und einfach umzusetzen ist, auch wenn man kein Yogalehrer ist.


Kommt Yoga in allen Jahrgängen gleich gut an?

Jeder Jahrgang hat seinen ganz besonderen Reiz und seine eigene Qualität – alle eint jedoch das Bedürfnis nach Ausgeglichenheit und Bewegung. Da Yoga so vielfältig ist, finden sich für alle und für jede Situation passende Übungen.

Wichtig ist, dass man als Lehrkraft offen für die Bedürfnisse und Tagesform der Schüler:innen ist und kein starres Konzept durchzieht.

Bei den ganz Kleinen in der Grundschule kommen Asanas mit spielerischer und ausdrucksstarker Note wie die Gorillaatmung (dabei klopft man sich laut mit den Fäusten auf den Brustkorb und brüllt laut) super an. Sie schlüpfen gerne in unterschiedliche Rollen.

Die Größeren in der weiterführenden Schule bis in die letzten Klassenstufe mögen alles, was ihr Selbstbewusstsein stärkt und ihnen die Möglichkeit gibt, einen Umgang mit Emotionen zu finden. Und was mir immer wieder auffällt: Partner- der Gruppenübungen kommen in allen Jahrgängen gut an.


Hast du ein Beispiel für uns?

Der Baum geht immer: Bäume stehen für Wachstum, Kraft und Erdung. Davon kann man nicht genug haben. Außerdem lässt sich der Baum so wunderbar mit dem tiefen, langen Atem verbinden und funktioniert auch als Partnerübung easy und unkompliziert. So baut man gleich ein Element von erfahrener Partnerschaftlichkeit ein und hat nebenbei auch noch Spaß.


Inwiefern profitieren Lehrer und Schüler gleichermaßen davon?

In der gemeinsamen Yogapraxis entsteht ein gänzlich anderer Kontakt als das übliche Lehrer-Schüler-Verhältnis. Wir gehen auf die menschliche Ebene: wir atmen und bewegen uns gemeinsam; wir erbauen uns sozusagen gemeinsam.

Auch wenn Yoga sehr direktiv ist, wird eine Gemeinschaftlichkeit hervorgerufen und transportiert.  Dies lässt viele Anstrengungen und Anforderungen auf beiden Seiten in einem anderen Licht erscheinen.

Schule ist leider nicht selten ein Ort von Anspannung. Yoga trägt ein wenig Gesundheit in die Schule und hilft so, das Stressempfinden zu kanalisieren und verantwortungsvoller mit dem Körper umzugehen.

Das sorgt für Konzentration und Gelassenheit, selbst wenn man das Gefühl hat, gleich aus der Haut zu fahren. Yoga- und Achtsamkeitsübungen sind Werkzeuge für ein Mehr an Selbstkontrolle und einen bewussteren Umgang mit Emotionen – gegenüber sich selbst, aber auch anderen.


Du bietest auch Fortbildungen zur Lehrergesundheit an. Worauf legst du dabei deinen Fokus?

Ganz klar auf Regeneration und Resilienz. Lehrergesundheit ist ein Thema, das zum Glück gerade mehr und mehr in den Fokus rückt. Kein Wunder! Der Lehrberuf ist fordernd und beanspruchend, mitunter belastend.

Lehrer:innen sind Umschalt-Profis; sie schalten in Sekundenschnelle um und vergessen dabei die eigene Gesundheit gerne mal. In den Fortbildungen geht es darum zu spüren, dass man auch auf Ruhe und Rekreation umschalten kann und es einen Ausweg aus Stress und Überlastung gibt, selbst wenn es das System den Kolleg:innen wirklich nicht einfach macht und reformbedürftig ist.

Wir haben diesen Schalter alle in uns, müssen ihn lernen zu bedienen. Das fällt am Anfang nicht so leicht. Wir üben gemeinsam einfach umsetzbare Yoga- und Achtsamkeitsübungen: Atemtechniken und Übungsabfolgen gegen Nacken-, Rücken- und Kopfschmerzen, die man auch auf dem Stuhl durchführen kann.


Was wünscht du dir in Zukunft für die Schüler:innen- und Lehrer:innengesundheit?

Ich wünsche mir eine Schule, in der es normal ist, gemeinsam über die eigene Gesundheit nachzudenken und etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Es geht mehr denn je um Resilienz und Reflexion.

Eine auf Gesundheit setzende Schule ermöglicht Fokussierung und dämmt die Dauerzerstreuung, der wir alle permanent ausgesetzt sind, ein. Ich wünsche mir Schulräume, die Entfaltung ermöglichen. Für Schüler:innen und Lehrer:innen gleichermaßen. Schultage sind Lebenstage. Das vergessen wir leider allzu oft. Schließlich wollen wir alle ein ausgeglichenes und glückliches Leben führen und die vielen Herausforderungen leichter meistern.

Vielen Dank für das Interview an Nicole und Mona!


Über Mona Bekteši:

Yoga und Schule sind die zwei Themen, die Mona Bekteši in ihrem Alltag begleiten. Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte, bildet am Landesinstitut für Schule (LIS) und an der Universität Bremen angehende Lehrer:innen und Studierende aus, unterrichtet Yoga für Kinder und Erwachsene und bietet deutschlandweit Fortbildungen zu Yoga und Achtsamkeit in der Schule an. Die nächste findet am 17. und 18.2. in Bremen statt. Nebenbei hat sie verschiedene Bücher zum Thema Yoga und Schule verfasst, die im Meyer & Meyer Verlag erschienen sind. Mehr zu Mona findest du auf ihrer Website.

Titelbild via Pexels
Portrait Mona @ Sarah Mehler

Kategorien Om

Nicole Reese ist Autorin, Yogalehrerin und Mitbegründerin des Yogastudios Yoga Elements in Hamburg. Sie turnt seit den Nuller Jahren auf der Yogamatte, schreibt für verschiedene Print- und Onlinemagazine und hat im Trias Verlag ein paar Bücher zum Thema Yoga veröffentlicht.

2 Kommentare zu “Yoga und Achtsamkeit in der Schule, geht das? Ein Interview mit Mona Bekteši.

  1. Danke, dass ihr euch diesem Thema annehmt. So wichtig. Ich wünschte alle Lehrer*innen würden Yoga und Achtsamkeit in ihren Unterricht integrieren. Meine beiden Kinder kommen so oft gestresst aus der Schule. Ich wünschte, sie hätten eine Lehrerin wie Mona.

  2. Ruth Beckmann

    Vielen Dank für die umfassenden Erläuterungen und Hinweise! Ich wünsche mir, dass Achtsamkeit fester Bestandteil von Lehrer:innenbildung und Schulalltag wird.

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