kolumne #embracethechaos

Always remember first moments.

Simone saß am Meer und verstand, das Leben schlägt Wellen, große und kleine. Während die eine Welle langsam abebbt, ist die nächste schon auf dem Weg. Manche dieser Wellen reißen alles mit sich, auch die besonderen ersten Momente, an denen wir hängen.

Vor einiger Zeit saß ich am Meer. Es rauschte, es schlug Wellen und dann wieder war es ganz ruhig. Hellblau, türkis, dunkelblau und dann glitzerte es in allen Farbtönen. Vermischte sich mit Sand, spülte Algen an und die schönsten Muscheln, die ich in meine Hände nahm und wie die Schätze des Sommers umklammerte.

Meine Gedanken schweiften ab: Was, wenn uns das Meer einfach irgendwann verschluckt und wir ohne zu murren diesen Rhythmus aus leise rauschen, wütend aufschäumen, Wellen brechen und leichtem Seegang annehmen?

Ist es nicht die wahre Natur des Lebens, dass alles unruhig ist und sich alles beständig verändert? Sind wir gefangen von der Vorstellung alles müsste wie auf einer türkisblauen Meeres-Postkarte statisch und schön anzusehen sein?

Stürme annehmen

Ich übe seit einiger Zeit das Annehmen der unterschiedlichen Stürme und merke nichts davon ist unaufhaltbar. Nichts bricht mich, ich stehe wieder auf und stehe jedes Mal ein bisschen mehr an meiner Seite. Und egal mit wem ich spreche, über Beziehungen, über Familie, das Leben – so merke ich, dass wir am Ende alle eines suchen: die Nähe zu anderen. Zu zweit sein, nicht allein.

Dieser Wunsch lässt uns alle irgendwann einen Weg einschlagen. Fast so, als ob wir an einer Kreuzung stehen und uns entscheiden müssten. Ich versuchte mir in besagtem Urlaub immer wieder meine Kreuzung ins Gedächtnis zu rufen, die Stelle an der ich wann, wo abgebogen war. Ich, die nie heiraten wollte, stand irgendwann in einem weißen Kleid, das ich mit einer Freundin in Barcelona ausgesucht hatte, auf einer spanischen Insel und feierte eine Party.

Während ich diese Zeilen schreibe, läuft das Lied auf meiner Spotify-Playlist, zu dem man mich damals zur Trauung führte. Mit Blick aufs Meer. Keine Wellen, alles ganz ruhig. Mein Vater lebte noch, die Menschen trugen bunte Kleider, alles war sehr glücklich, alles war mit Liebe gefüllt.

Das Gefühl darunter

Oder lag doch irgendwo darunter schon das Gefühl, dass das, was da passierte, wie alles andere im Leben auch, endlich ist?

Wieviele Sachen können wir sagen, die man uns verzeiht? Wieviele Dinge passieren, ohne dass sie eine Bedeutung haben?

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht wissen, dass das Leben irgendwann eine ganz andere Richtung einschlägt. Auf einmal kam die Welle, die so groß war, dass sie ein ganzes Haus verschluckte, und die mich durchgeschleudert wieder ausspuckte. Noch immer befinde ich mich in diesem Schleudergang.

Ich habe das Gefühl, bei (Lebens-)Wellen spielt Zeit eine große Rolle. Wieviel Zeit muss vergehen, bis sich der Schmerz nach einer Welle wandelt? Wie geht aushalten ohne sich abzulenken? Einfach da sein, alles durchlaufen lassen, sich nicht betäuben?

Die nächste kleine Welle

Ich glaube, ich lerne mich mit all den Wellen Stück für Stück besser kennen. Ich merke auch, dass ich dieselben Fehler wieder und wieder mache. Ich bin die Welle, die anrauscht, die nichts aufhalten kann und die mit viel Schaum am Ende bricht.

Trotz Schleudergang wünsche ich mir, dass ich weich sein kann. Dass der harte Panzer von mir abfällt. Weil weich sein doch eigentlich ganz schön ist.

An diesem Wochenende brach die nächste kleine Welle. Ich sah sie kommen, aber der erste Moment, als die Welle noch ganz klein war, als sie sich aufbaute, der war so unglaublich gut, dass mir seitdem folgender Satz im Ohr rauscht:

Always remember first moments.“

Auch wenn alles, was danach kommt sich anders anfühlt. An wieviele erste Momente, die wirklich besonders waren, erinnerst du dich? Besondere erste Momente sind ein Geschenk. Viele haben mit anderen Menschen zu tun. Und dennoch war es wie eine selffulfilling prophecy – ich wusste, ich werde ausgespuckt. Ich schrieb den Satz in ein Buch. Da steht er und wartet darauf gelesen zu werden.

Am Freitagabend saß ich nach einer anstrengenden Woche auf meiner Yogamatte. Ein Teil von mir war fertig, der andere Teil freute sich auf das, was vor mir lag. In der Rückbeuge drehte mir der Yogalehrer die Hände nach außen, schwebte über mir und sagte:

„Push into your hands and just open your heart into my direction.“

Ich aber hatte Probleme in dieses Herz zu atmen. In dem Moment dachte ich: Wenn ich also selbst nicht in mein Herz atmen kann, wie kann ich es dann einer anderen Person gegenüber öffnen?

Nach der Yogastunde fuhr ich auf dem Fahrrad mit lauter Musik auf den Ohren nach Hause, freute mich über die Stadt, die an mir vorbeizog, und Tränen rannen mir übers Gesicht. Sie schmeckten salzig, wie das Wasser einer Welle. Wie sehr kann ein erster und federleichter Moment über die Wellen der Vergangenheit hinweg täuschen?

Das Herz öffnen

Auch später an diesem Abend konnte ich das Herz nicht öffnen. Es waren zu viele Themen, zu viele Emotionen, zu viel Unsicherheit. Ich stellte mich selbst in Frage. Ich stand nicht an meiner Seite, ich hatte mich verloren. Da saß eine Person, die in diesem Moment, weit weg von sich selbst war.

Ich gehörte an diesem Abend an einen anderen Ort. Ich suchte Nähe, vermittelte etwas anderes und verstand nicht, dass die Nähe zu mir selbst gereicht hätte. Ich rannte weg, auch vor mir selbst. Vielleicht wollte ich es jemandem, der mir einen besonderen ersten Moment beschert hatte, recht machen, nicht mir selbst.

Raus aus dem Kopf, rein in den Körper

Als die salzigen Tränen getrocknet waren, fuhr ich zum Wasser. Ich buchte Hals über Kopf einen Schnupperkurs im Wasserski fahren. Ich stand, ich fiel, ich lachte, ich war aufgeregt, ich überkam eine Angst und war am Ende schon wieder einen Step weiter.

Mir wurde klar, ich kann mir an jedem einzelnen Wochenende das geben, was ich brauche. Ich selbst kann mein besonderer erster Moment sein. Dieses Mal mit Skiern an den Füßen.

Ich hielt mich ziemlich fest an der Schlinge, die mich zog. Auch dieser Griff darf weicher werden.“

So wie der, der mein Kind umarmt, wenn es zu mir zurück kommt.

Love,
Simone




Kategorien Kolumne

Simone ist Mama eines kleinen Jungen, leidenschaftliche Yoga- und Meditationslehrerin, Podcast-Gastgeberin, freie Autorin und PR-Beraterin und ihre große Liebe ist das Schreiben. Sie ist verantwortlich für alle Inhalte und Texte bei PersonalityMag.

1 Kommentar zu “Always remember first moments.

  1. wow, was für ein ehrlicher, inniger Text voller Schmerz, aber Zuversicht und mit großer Intensität oder wie man in „Wellensprache“ sagt: Tiefgang.
    Herzensumarmung vom Yogini Bea

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