Mama-Sein – ein Leben voll mit Scheiße und viel Liebe

Neulich saß ich am Esstisch und grübelte darüber nach, was sich verändert hat, seit ich Mama bin. Wie hat sich mein Leben, innerlich und äußerlich verändert? Im Chaos des Alltags aus Geschrei, vollgemachten Windeln, Eingewöhnung, Job und Beziehung vergessen wir uns oft selbst, erkennen uns manchmal nicht wieder und entdecken neue Seiten an uns. Vielleicht flüstern wir uns heimlich zu: „Du schaffst das schon!“ Verrückt, dieses Mama-Sein.

Mama-Sein: Nasenschweiß und Scheiß überall

Ich stehe bei 34 Grad in der Sonne. Mein Kind lege ich auf eine Parkbank. Es hat sich vollgemacht, vom Scheitel bis zur Sohle. Den Rücken hoch, das möchte ich nicht auslassen. Es ist diese Klebscheiße, die so richtig schön schwer wegzuwischen geht. Auf dem Spielplatz habe ich, während mein Kind spielt, wie eine gute Mutter das so macht, mit einer Freundin telefoniert. Während ich ihr zuhörte und mit aller Kraft (also das letzte bisschen, das ich seit der Coronakrise noch aktivieren kann) versuchte, mich auf ihre Themen zu konzentrieren, versuchte ich gleichzeitig mein Kind im Blick zu halten, das zwischen Sandkasten und Klettergerüst hin und her flippte. Ich fand es dann über den Geruch wieder, denn es stank bis zum Himmel und wieder zurück.

Leider konnte ich kein schattiges Plätzchen zum Wickeln finden, so wie sich das für verantwortungsbewusste Mütter gehört, die ihr Kind vor der Sonne schützen. Ich stehe also in der brütenden Sonne, bewaffne mich mit mehreren Feuchttüchern (die ich mittlerweile so selbstverständlich mit mir rumtrage wie Businessfrauen ihren Laptop) und versuche den Geruch weg zu atmen. Wie im Yoga: Gute Energie ein- und schlechte ausatmen. Bloß kommt hier nur schlecht riechende Energie rein. Während ich versuche zu wischen, weint das Kind. Es hat Durst, die Sonne blendet und mir rutscht die Brille von der Nase, weil sich ein Schweißfilm auf selbiger gebildet hat. Nasenschweiß, wer kennt das nicht? Die Brille plumpst direkt in die klebrige Scheiße und ich möchte schreien. Ich weiß bloß nicht was. „Scheiße“, vielleicht? Während ich mit der beschissenen Windel in der Hand vom Spielplatz schiebe, klingelt meine Telefon: Zahnarzttermin vergessen. Zum dritten Mal. Einfach weg, wie ausgelöscht, als ob da zwischen Gehirn und Schädel nur noch eine wabernde Masse ist. 

Die wärmste Umarmung

Ich sitze am Küchentisch und tippe die letzten Zeilen eines Textes. Meine Finger fliegen, denn ich höre das Kind im Kinderzimmer. So ein leises, erstes „Mama“, noch geflüstert. Gleich sind sie um, die knapp zwei Stunden, in denen ich mich meiner Arbeit widmen konnte, bevor es zurück in die Küche, in den Supermarkt, in den Park, auf den Spielplatz oder in eine andere Mutti-Zone geht. Langsam höre ich kleine Tippelschritte. Noch ganz verschlafen kommt er aus seinem Zimmer, schaut kurz rechts und links, sieht mich, lässt den Schnuller fallen und kommt auf mich zu. Er klettert an mir hoch, auf meinen Schoß und schlingt seinen kleinen wabbeligen Kinderarme fest um meinen Hals, legt seinen Kopf auf meine Schulter. Es ist die wärmste und herzlichste Umarmung, die ein Mensch geben kann. Sie ist so ehrlich. Sie kommt von ganz tief drinnen und transportiert Liebe pur. Das ist die Art Liebe, die heilende Kräfte verströmt. Sie fließt direkt ins Herz. Lässt einen die Scheiße (die, in der Hose und die Generelle) vergessen und zaubert ein Lächeln auf’s Gesicht.

„Diese Umarmung sagt: Ich liebe dich ohne Bedingung und du bist die eine.“

PersonalityMag

Das alles ist Mama-Sein

Das alles bin ich als Mutter. Viele Szenen spielen sich zwischen Wahnsinn, echter Liebe, Verzweiflung und purem Chaos ab. Wann immer ich einatme und versuche alles von außen zu betrachten, überkommt mich eine tiefe Demut. Eine Demut und Dankbarkeit, dass ich Zeit mit diesem kleinen Menschen verbringen darf. Spirituell gesehen, hat er sich mich ja ausgesucht. Oder besser: uns als Eltern. Aber mal ehrlich, wenn die Sojasauce zum wiederholten Male durch die Wohnung fliegt, kurz an der weißen Wand stoppt und dann auf den Boden kracht und ich mit einem Teller Nudeln im Türrahmen stehe, empfinde ich keine Demut. Wenn das Kind zum wiederholten Male auf den Wohnzimmertisch steigt und stampfend „Olé“ ruft, muss ich meist lachen, aber auch manchmal weinen.

Und so schwanke ich tage- und wochenweise zwischen den Gefühlswelten. Ich zelebriere diese schönen Momente, möchte sie wie Kaugummi ziehen, weil ich merke, wie schnell er groß wird.  Und dennoch sehne ich mich nach meiner Freiheit zurück. Einer Freiheit, die mir erlaubt einen Tag lang nur das zu tun, was ich möchte und die mich von familiären Verpflichtungen befreit. Ich träume dann davon alleine zu duschen, alleine auf Toilette zu gehen und das mir nicht dauernd jemand ungefragt unters T-Shirt greift, um an meinen Brüsten zu fummeln. Den Job mit den Brüsten hatte ich mir einfacher vorgestellt, ich dachte nach dem Stillen gehören die wieder mir. Mein Sohn denkt anders und greift mir bei jeder Gelegenheit beherzt unters T-Shirt.  

Aufgeben kommt nicht in die Tüte!

Manchmal bin ich eifersüchtig auf den Mann und darauf, dass er morgens das Haus verlässt und abends wiederkommt. Ich muss selbst lachen, dass ich das schreibe. Es ist so ein wohlwollendes eifersüchtig sein. Worauf nochmal genau? Darauf, dass er Pausen hat, in denen es nicht ums Kind, um Windeln und Gemecker geht. Dass er nicht um Eis, Schaufeln und Schuhe diskutieren muss. Und dass er ganz oft nur die schönen Seiten sieht und das Männer beides haben können: Kind und Karriere. Wobei ich meine noch nicht aufgegeben habe. Denn Aufgeben kommt für Mütter nicht in die Tüte. Oder in den Jutebeutel, wir nutzen ja keine Tüten mehr. 

Trotz aller Diskussionen und Veränderungen habe ich das Gefühl, dass das Meiste an mir hängen bleibt und meine Arbeit, weil sie weniger Geld bringt, dafür zurückstecken muss. Und ich bin mit einem Mann verheiratet, der weder altmodisch ist, noch Probleme mit erfolgreichen Frauen hat. Und dennoch, ich bin diejenige, die sich zwischen Betreuung, Mittagspause, Haushalt, Freiberuflichkeit und dem zu Bett bringen, zerreißt. Mental Load, ein spannendes Thema für die nächste Ausgabe.

Die ganze Bandbreite an Gefühlen

Ich glaube, dass wir alle als Mütter diese Gefühle haben. Wir sind glücklich und lieben es, Zeit mit unseren Kindern zu verbringen. Ihnen beim Spielen zuzusehen und abends oder in der Nacht an ihrem Bett zu stehen. Dann wieder sehnen wir uns zurück. Nach mehr Freiheit, dem geregelten Berufsleben und ein bisschen mehr Ruhe. Nach was auch immer, es ist ein Sehnen da. Und das ist ok, das darf sein. Alles ist erlaubt. Wir dürfen klammern und wieder loslassen. Wir dürfen auch mal schimpfen und dann wieder Sachen durchgehen lassen. Wir dürfen Dinge falsch machen und uns dafür entschuldigen.

Ganz oft versuche ich mir den Druck der Erziehung und den Stress des Alltags zu nehmen, weniger zu hetzen und die Langsamkeit meines Kindes anzunehmen. (Der Kleine ist selten langsam, ich glaube nur darum ist es erfolgreich.) Ich versuche die Bilder, wo er ruhig irgendwo sitzt und spielt in meinem Kopf abzuspeichern, vielleicht weil es so wenige davon gibt. Ihn zu sehen, seine Lebendigkeit, all das, was er mitbringt und was ihn einzigartig macht. Und dann kneife ich mich, einmal rechts und einmal links, schließe die Augen und flüstere mir selbst zu: „Verrückt, du bist wirklich eine Mami. Du schaffst das!“

Titelbild © Emily Goodhart via Unsplash

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