Simone Lopez Sanchez über die Liebe

Kolumne #embracethechaos: Liebst du schon oder kämpfst du noch?

Liebe. Oha, ein großes Wort. Ich habe nachgedacht – über die Liebe an sich, die Liebe zu mir selbst, zu anderen, über alte Affären und die Liebe zum Schreiben.

Wenn ich die Augen schließe und darüber nachdenke, was Liebe für mich bedeutet, dann sehe ich den Tag nach der Geburt meines Sohnes. Es war ein Gefühl von purer Liebe. Das Kind lag auf mir drauf, ich war vollgepumpt mit Oxytocin und trotz Schmerzen sah ich rosarot. Seit ich Mama bin, hat Liebe eine andere Dimension. Wenn das Kind mich in den Wahnsinn treibt und ich mich in meine Singlezeit zurück wünsche, dann überkommt mich dennoch am selben Abend, an dem ich das kleine Monster ins Bett bringe, ein großes Glücksgefühl. Aber und das sei hier auch gesagt, als Familie schwebt man nicht jeden Tag auf einer „Wir haben uns alle so lieb“-Wolke. Liebe und das wurde mir in den letzten Wochen nochmal mehr bewusst, ist Arbeit.

Die Sache mit der romantischen Liebe

In Sachen romantischer Liebe bin ich eine Übende. „Romantische Liebe“ – das klingt schön, aber die Realität ist oft gnadenlos. Und ich bin leider so gar nicht romantisch. Nicht ein klitzekleines bisschen. Als wir Urlaub in Bali machten und dort Hochzeitstag hatten, hat das Hotelpersonal das Zimmer mit Rosenblättern, aus Handtüchern gefalteten Schwänen und kleinen Herzchen dekoriert. In mir entsteht dann ein Brechreiz. Weil ich mich dann frage, was kitschige Deko mit meiner Beziehung zu tun hat. Was soll mir der Handtuch-Schwan sagen? Geht öfter zusammen duschen? Steckt den Kopf nicht ins Wasser, wenn der Partner mal frei dreht? Und ich frage mich: Haben Paare wirklich Sex, wenn das Bett so dekoriert ist, als wäre Harald Glööckler darüber spaziert? Und wenn ja, schaut der Schwan dann zu?

Der zweite Moment, der mir einfällt: Ich stehe entnervt von allen Männern dieser Welt unter Spaniens Sonne und sehe einen Mann, der eine Badeshorts und ein Netz mit Bällen in der Hand trägt. Es durchzuckte mich und ich dachte, der ist entweder wieder eine Affäre oder ein Volltreffer. Doch dieses Gefühl, das mich damals durchzuckte, das blieb natürlich nicht für immer. Das war auch nicht die Liebe. Liebe war es, als er blieb und zu mir stand, als ich mit 30 Jahren in ein tiefes Loch fiel. Für all das, was diesem Gefühl folgt, müssen ich und dieser Mann heute hart arbeiten.


Der Dating-Wahnsinn

Wenn ich in Sachen romantischer Liebe weiter zurückdenke, fallen mir die kuriosesten Geschichten auf der Suche nach Liebe ein. Ich frage mich heute, warum ich überhaupt gesucht habe. Findet die Liebe einen nicht, wenn es soweit ist? Sollten wir nicht aufhören, sie dauernd heraufzubeschwören oder zu fangen? Aber, um es auf den damaligen Punkt zu bringen: Die, die ich wollte, wollten mich nicht. Und die die wollten, waren oft so langweilig.

Ich datete einen Mann, der Menschen anhand seiner Ohren analysierte und auch danach die Frauen auswählte. Ich traf einen Mann, der um Längen jünger war als ich, mich an die Nordsee schleppte und es wichtig fand, dass ich seine große Liebe das Kiten teilte. Beim Sex unter der Dusche fragte ich mich, was passieren würde, wenn er mich fallen ließ, also auf den Boden, und hatte wirklich Angst vor einem Oberschenkelhalsbruch. Silvester 200 knutsche ich  in Berlin im Rausch einen Mann, der sich Gedanken über Elektro-Smog machte und über eine Tapete nachdachte, die gefährliche Strahlen abhält, während er jeden Morgen drei selbstgedrehte Zigaretten inhalierte. Ein anderer war besessen von Deodorants ohne Aluminium, aber nicht im Stande einen Abend mit meinen Freunden zu verbringen. Der nächste hatte seit Jahren einen Dauerkopfschmerz, verzog während der Treffen immer schmerzverzerrt das Gesicht, verneinte aber, dass das irgendwelche psychischen Gründe hätte und schleppte mich zum Date auf einen Golfplatz. Wieder ein anderer lobte mich, wie gut ich mit dem Auto durch Hamburg fuhr. Das ist ok, wenn meine Oma das macht, die ihr ganzes Leben lang im Dorf gelebt habt – aber ein gleichwertiger Partner? Müssen Frauen wirklich noch fürs Autofahren gelobt werden? Dann traf ich lange Zeit einen Mann, der nur Sex wollte. Ich war wie ein hypnotisierter Hase, der auf Bestellung vor seiner Tür stand. Fest in dem Glauben, das aus dieser Geschichte mal was richtig Großes werden würde. Das einzige was groß war, war die Enttäuschung und sein Ego.

Es war ein Irrenhaus – ich könnte endlos weiter erzählen, aber ich weiß heute auch, dass ich damals Geschichten erleben wollte, aber nicht bereit war, mich auf jemanden einzulassen. Ich wollte lieben, war aber im Kampf. Denn mal ehrlich: Eine kurze Liaison kann jeder, aber jahrelang neben dem gleichen Mann aufwachen, der die Socken liegen lässt und seinen eigenen Kopf hat – das ist die hohe Kunst der Liebe, oder?

In dieser Dating-Zeit war die Liebe zu mir selbst nicht vorhanden. Ich funktionierte, war aber so gar nicht verbunden und wusste auch nicht, was ich wollte. Das weiß ich heute auch nicht immer, aber wenn ich den Kontakt verliere, weiß ich, was zu tun ist. Vielleicht ist es keine Liebe zu mir selbst, dass muss es auch nicht, aber ich kenne mich besser. Ich weiß was geht, wo meine Schwachpunkte liegen und habe mich ausreichend mit mir selbst beschäftigt. Mich auf links gedreht, dann auf rechts und wieder zurück. Ich hämmere innerlich nicht mehr so auf mich ein, wenn Dinge falsch laufen, ich kann mehr Verständnis für mich selbst aufbringen und ich akzeptiere, wer ich bin. Zumindest an 300 von 365 Tagen.

Die Liebe zum Schreiben

Und dann gibt es da eine Liebe, die mich von innen heraus auffüllt. Ich werde dann prall wir ein Lebkuchenherz mit der klebrigsten Marmelade. Für diese Liebe muss ich etwas tun, ich muss in den Ring, manchmal sogar richtig ackern und sie fühlt sich auch nicht immer nach Liebe an. Sie hat nichts mit einem Menschen zu tun, aber viel mit meinem Sein in der Welt. Es ist die Liebe zu Worten und Texten. Die Liebe zum Schreiben, die ich mir lange selbst zerredet habe, die ich mir nicht eingestanden habe und von der ich dachte, dass es sie nur geben kann, wenn sie von jemandem legitimiert oder mit Erfolg gekrönt wird. Aber was wäre das für eine Liebe?

Das Schreiben gibt mir etwas zurück, nämlich ein gutes und aufgeräumtes Gefühl. Ich komme mir selbst näher und bin dann eher bereit für andere. Ich lerne geduldig zu sein, nicht zu viel zu wollen und mir selbst gut zuzuhören und zu vertrauen. Beim Schreiben dieser Zeilen merke ich, ich bin reich beschenkt und es gibt keinen Grund zu kämpfen.

Deine Simone

1 Kommentar zu “Kolumne #embracethechaos: Liebst du schon oder kämpfst du noch?

  1. Tolle Kolumne liebe Simone 🧡
    Und dann kommt die Passage in der auch ich mich in meine Vergangenheit zurück versetzt fühle🙈: …“ Dann traf ich lange Zeit einen Mann, der nur Sex wollte. Ich war wie ein hypnotisierter Hase, der auf Bestellung vor seiner Tür stand. Fest in dem Glauben, das aus dieser Geschichte mal was richtig Großes werden würde. Das einzige was groß war, war die Enttäuschung und sein Ego“…

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