Quote über den Tod

KOLUMNE #embracethechaos: Der Tag, an dem ich meinen Vater verloren habe.

Es gibt Dinge im Leben, auf die bereitet uns niemand vor. Die kommen einfach so, mit voller Wucht und der Alltag, der geht weiter. Am 19. Februar 2022 habe ich meinen Vater verloren. Seitdem versuche ich zu verstehen, zu erinnern und bin am Ende doch hilflos.

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Du musst nicht mehr leiden

Ich scheue mich fast davor diesen Text zu schreiben. Nicht wegen mit selbst, für mich finde ich es sogar gut. Ich mag es, tiefer in die Themen rein zu gehen und mir die Zeit zu nehmen. Es erleichtert mich, wenn Tränen fließen. Da Schreiben für mich immer auch Aufarbeitung ist, weiß ich um die  Kraft der Texte. Es ist eher der Gedanke daran, dass wir Themen wie Tod aus der Gesellschaft ausklammern. Wir reden nicht gerne darüber, geschweige wollen wir darüber lesen. Der Tod ist traurig, schwierig, er ist ein ernstes Thema. Und davon lassen wir lieber die Finger, außer wir sind selbst betroffen und müssen uns damit auseinandersetzen.

Mein Vater wollte nie ein Pflegefall sein. In den letzten Monaten seines Lebens war er das. Alles wofür er früher einmal stand – Aktivität, Machertum und Stärke – war wie weg geblasen. Er war an ein Bett gefesselt, konnte nicht mehr sprechen, wollte nicht mehr essen und es war klar, dieser Mensch möchte nicht mehr leben. Immer wenn ich sein Zimmer betrat, ereilten mich folgende Gedanken: Du darfst gehen. Du musst nicht mehr leiden. Du hast es verdient, in Ruhe und ohne Kampf einzuschlafen. Am Ende geschah genau das und doch steht man hilflos und unendlich traurig daneben. Meine Oma hat mit 93 Jahren ihren Sohn überlebt.

Die Leere nach seinem Tod

Seitdem fragen mich die Menschen, wie es mir geht. Und ich weiß es nicht. Drei Tage nach seinem Tod stand ich in der Küche und habe Käse-Picker für die Kita meines Sohnes gemacht, weil dort Karneval gefeiert wurde. In dieser Woche war viel zu tun, das war gut, denn sonst wäre ich vielleicht nicht aufgestanden. Ich habe die ersten beiden Wochen nach dem Tod meines Vaters eine Leere und Schwere gespürt, die der Depression sehr ähnlich ist. Aber ich hatte keine Angst. Ich wusste, ich muss weniger arbeiten, mir mehr Pausen gönnen und darf schauen, was mir gerade gut tut. Ich habe das getan, worauf ich Lust hatte, beruflich und privat. Nach dem Tod meines Vaters, der sein Leben lang, das gemacht hat, was gut für andere war oder andere von ihm wollten, habe ich noch mehr den Drang danach, die Dinge zu tun, die mir gut tun. Es ist, als hätte sein Tod einiges in meinem Leben noch einmal gerade gerückt.

Manchmal werde ich nachts wach und fange einfach an zu weinen. Ich habe dann das Gefühl ich hätte noch so viel sagen wollen. Gleichzeitig bin ich sehr dankbar, dass ich bei ihm war, als er einschlief. Wenn ich heute sein Haus betrete, fehlt etwas. Der Geruch hat sich verändert, es ist anders. Meine Mutter steht jetzt alleine an der Tür und winkt, wenn wir nach einem Wochenende wieder in unser Zuhause fahren. Der Abschied von meinem Vater war ein Abschied auf Raten. Mein Vater hatte Parkinson und Demenz – es war als verschwand er von Jahr zu Jahr mehr. Er selbst spürte ebenfalls, dass er verschwand, dass er weniger verstand und dass er die Dinge, die er gerne tat, nicht mehr tun konnte.

Was am Ende bleibt

Die Beerdigung meines Vaters war so, wie er es sich gewünscht hätte. Die Anteilnahme an seinem Tod und die lieben Worte der Menschen, die ihn kannten, waren überwältigend. Das hat mich als Tochter, uns als Familie getragen. Wenn du mich fragen würdest, was hilft mit der Trauer umzugehen? Ich würde sagen: Menschen, die da sind, die an dich denken, die dir Raum geben aber mit dir einen Teil des Weges gehen und dir zeigen, du bist nicht allein.

Am Ende bleibt mir das Schreiben, um mit seinem Tod umzugehen. Denn die Menschen um dich herum vergessen, was passiert ist. Es bleiben Erinnerungen an die Urlaube mit ihm, an seine Weisheiten und an ihn als einen wunderbaren Menschen, als liebvollen Vater. Es bleibt die Dankbarkeit, dass es ruhig war an dem Tag als er starb und dass die Sonne schien. Es bleibt die Einsicht, dass wir uns zu wenig mit dem Tod auseinandersetzen, der unweigerlich zu diesem Leben dazu gehört. Es ist, als ob uns der Boden unter den Füßen weg gerissen wird, wenn ein Elternteil verstirbt. Vielleicht tut es uns gut, wenn wir den Tod nicht allzu sehr ausklammern, wenn wir lernen ihn zu akzeptieren und uns mehr mit ihm auseinandersetzen als uns lieb ist. Wenn wir erlauben, dass auch geschmunzelt werden darf auf Beerdigungen, wenn wir all dem die Strenge etwas nehmen.

An dem Punkt als mein Vater starb, wurde alles andere unwichtig. Am Ende zählte nur die Liebe zu ihm. Und die bleibt.

Much Love & Light,
Simone

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4 Kommentare zu “KOLUMNE #embracethechaos: Der Tag, an dem ich meinen Vater verloren habe.

  1. Das ist ein wunderschöner Text. Meine Ma hat Alzheimer. Wie du sagst, ist es jeden Tag ein kleines bisschen sterben, bis der Mensch tatsächlich sterben darf. So ein Tod erdet auch irgendwie. Man ist noch ein bisschen mehr bei sich und bei den guten Dingen.

  2. Liebe Myriam, ich danke dir sehr! Ja, genau, so ist es. Es erdet und zeigt einem, was wirklich wichtig ist. Alles Liebe für dich & deine Mama

  3. Liebe Simone,
    Dein Worte berühren mich. So wichtig, dass Du über das Thema Tod/Tod eines Elternteils schreibst. Und ich finde es bemerkenswert toll, wie Du damit umgehst und Dich auch damit zeigst.
    Mein Vater ist letztes Jahr im Juni 3 Tage vor meinem 44.Geburtstag gestorben, auch Parkinson und Demenz. Ich weiß noch, dass ich an meinem Geburtstag aufwachte und mich wie nie zuvor entwurzelt fühlte. Elternlos, kein Kind mehr… meine Mutter ist schon vor 10 Jahren gestorben. Dann kamen die Glückwünsche per Telefon oder auch persönlich von den Nachbarn. Es kamen Karten, die Geburtstags& Beileidskarte gleichzeitig waren. Schräg. Und doch habe ich auch an diesem Tag gelacht und mit lieben Menschen verbracht, mein Vater hat mitgelacht, dessen bin ich mir sicher. Unseren Vätern geht es jetzt wieder gut, auch dessen bin ich mir sicher.
    Deine Käse-Picker und mein Geburtstag „feiern“ hat uns eine Form von Sicherheit gegeben und die ist wichtig in solchen Zeiten.
    Ich bin (mittlerweile) in tiefem Frieden mit dem Weggang meiner Eltern und manchmal dürfen dennoch Tränen der Trauer fließen.
    Schicke Dir Licht & Liebe.

  4. Liebe Almut, von ganzem Herzen lieben Dank für deine Worte und dass du dir Mühe gemacht hast zu schreiben! Ganz liebe Grüße zu dir!!

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