Simone über Emotionen in der Kolumne embracethechaos

KOLUMNE #embracethechaos: Ein emotionaler Abend in Köln und eine behaarte Spinne

Diese Kolumne handelt von Wut, Angst, Trauer und einer behaarten Spinne in Köln. Ich wollte Emotionen, natürlich für die Kolumne und für euch, ich bekam eine volle Ladung. All the feelings – das dürfen wir uns erlauben. 

An einem Montag Abend sitze ich im Auto auf dem Weg nach Köln. Das an sich ist schon eine Sensation. Hinzu kommt, dass der Mann dabei ist, das Kind ist bei der Babysitterin und wir sind auf dem Weg zur Hotel Matze-Tour. Während dieser Autofahrt rauscht eine ganze Bandbreite an Emotionen durch mich durch, denn wir, ich und der Mann, starten mit hochexplosiven Themen. Es gibt ja sogar die These, dass man gerade im Auto über, sagen wir mal, sensible Themen spricht. Ich fühle also Freude, weil Hotel Matze und Ausgehen. Und ich bin irgendwie gestresst, weil die letzten Tage so anstrengend waren. So eine innere Anspannung. Und dann: Ekel, Angst – ich schreie! 

Spinne in Sicht

Weil auf dem Armaturenbrett vor mir eine große Spinne dahergelaufen kommt. Sie läuft, ich schreie. Das Auto macht einen Schlenker nach rechts. Ich sehe kurz die Headline „Frau verursacht Unfall auf Aachener Straße wegen entlaufener Spinne aus dem Kölner Zoo“. Ja, sie ist groß und hat Haare. Gut, es war dunkel, vielleicht fantasierte ich, aber ich meine, sie hätte Haare. Der Mann nimmt so eine Hülle, in die man Unterlagen steckt. Ich werde rasend, was nützt so eine Hülle? Nimm einen Hockeyschläger, ein Buch, wegen mir meine Tasche (ja, alle diese Dinge sind in meinem Auto) und erschlage das Ding. Während dieser Minuten und Sekunden, die sich wirklich sehr lang anfühlen, schreie ich. Und der Spinne ist es wahrscheinlich kurz zu laut, sie läuft in den Lüftungsschacht auf dem Amaturenbrett. Der Mann sagt: So alles gut, jetzt ist sie weg. Hätten wir einen Lügendetektor dabei gehabt, hätte das Ding so laut ausgeschlagen, dass ganz Köln es gehört hätte. 

Alles auf Spannung

Später am Abend denke ich darüber nach, wie schnell das ging, dieses Gefühl von Ekel und Angst. Denn man denkt ja…. ja, was denkt man eigentlich? Also, ich dachte ja, dass meine Angst vor Spinnen gar nicht so groß ist, denn wenn die im, am oder ums Haus sind, habe ich da so meine Tricks und bin weit genug weg. In meiner Familie gibt es eine ausgeprägte Spinnenangst, wer hätte das gedacht. Meine Schwester hat Tricks entwickelt, sie saugt sie mit dem Staubsauger auf. Dann saugt sie Steine nach, damit die Spinnen nicht mehr herausklettern können. Denn durch den Steinschlag… na ja, ihr wisst schon. Was ich sagen will, als diese Spinne so nah vor mir war und ich dazu noch ein Auto lenken und auf den Verkehr achten musste, da war ich raus. Und mein ganzer Körper war angespannt. Es war der direkte Beweis, wie mein Körper auf Emotionen reagiert. Verrückt, was Emotionen mit uns machen.

Einmal aufstellen, bitte

Das dachte ich mir auch Wochenende vor meiner Spinnentour. Es war ein Weiterbildungs-Wochenende im Rahmen meiner Coaching-Ausbildung. Am Freitag war Aufstellungsarbeit angesagt, die interessiert mich schon sehr lange, aber es hat sich nie ergeben, es mal auszuprobieren. Während Covid war ich zweimal bei einer Gruppe angemeldet, deren Treffen leider nie zustande kamen. An diesem Wochenende sollte es dann so weit sein. Meine Hauptemotion: Ich war voller Vorfreude. Und ich wollte etwas über mich selbst lernen. Eigentlich nur eine Kleinigkeit. Ich bekam die ganze Packung, mit voller Wucht.

Bei einer Aufstellung bearbeitet man eine konkrete Situation oder Fragestellung und fremde Menschen werden als Stellvertreter eingesetzt und aufgestellt. Man wird also mit anderen in einem Raum “aufgestellt” und steht entweder für eine Person, die man nicht kennt oder auch eine Emotion, ein Problem. Und was soll ich sagen, es ist verrückt. Ich wurde als Person aufgestellt und ich hatte so viele verschiedene Emotionen, dass es kaum auszuhalten war. Es war ganz deutlich, dass es nicht meine eigenen Emotionen waren, sondern die der Person, als die ich aufgestellt wurde. Klingt kompliziert? War es auch! Und dann waren da noch wahnsinnig viele andere Emotionen im Raum. Ich ging an dem Abend zum Auto und als ich mich in den Sitz plumpsen ließ, hatte ich das Gefühl, ich wäre einen Marathon gelaufen. Vieles war präsent, einiges waberte und ich hatte tausend Fragen.

Emotionen sind unsere Wegweiser

Was ich damit sagen will: Emotionen sind wie Wegweiser, sie tauchen auf und zeigen uns die Richtung. Es bringt nichts, sie wegzudrücken, sie kommen ungefragt wieder. Wir sollten keine Angst davor haben, unsere Emotionen zu fühlen und auch zu benennen. Und manchmal sind es gar nicht unsere eigenen Emotionen, die wir fühlen, denn nicht alle Menschen spüren ihre Emotionen oder können mit ihnen arbeiten. Und dann wabern sie im Raum rum und nehmen sich den Erstbesten, der oder die viel fühlt. Jackpot. 

Und natürlich kam an dem Abend auf der Rücktour von Kölle nach Düsseldorf besagte Spinne aus der Lüftung. Wieder war ich in Sekundenschnelle aufgewühlt, wieder schrie ich und fuhr auf der Autobahn rechts ran. Bis die Spinne wieder im Lüftungsschacht verschwand. Danach machte ich das Radio und die Lüftung an. Ich hatte Angst, die Spinne würde während der Fahrt an mir hoch krabbeln, über meinen Hals laufen, hin zu meinem Ohr und mir sagen: „Simone, das ist alles gar nicht so schlimm. Ich bin dein Stellvertreter für die Angst und jetzt hör auf zu schreien und fahr weiter.“


Alles Liebe,
deine Simone

Titelbild @ Anna Lena Duschl

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