Simone in ihrer Kolumne #embracthechaos über den Sex in den wilden 30er

Kolumne #embracethechaos: Von frischen Schlüppis, kleinen und großen Geheimnissen

Chaos im Bett machen heute die Kinder. Früher war das anders. Simone berichtet von den 30ern in Hamburg und Berlin. Von frischen Schlüppis, Waschnüssen, Geheimcodes und einem Geheimnis. 

Eine Kolumne rund ums Thema Sex schreiben, während die eigene Libido gerade auf Kreuzfahrt ist und die Füße hochlegt, geht ungefähr so gut wie Liebespaar spielen, wenn ich PMS habe. Beides der Fall: Libido auf Urlaub, PMS am Start. Und diese Woche war auch noch Super Blue Moon.  

Aber ich hole ein bisschen aus und krame in der Kiste der Vergangenheit. Die Kiste, in der ich noch auf Partys ging, Jägermeister trank, eine einsame Gurke im Kühlschrank hatte, keine Beziehung führte, aber Sex hatte. 

Parship war das Ding – erinnert ihr euch?

Parship war damals das Ding. Zumindest für mich und meine Freundin Susi (Name von der Redaktion geändert). Wir schrieben Nachrichten, was das Zeug hielt, und checkten Männer aus wie heute im Supermarkt die Gemüseangebote. Ich traf M.M. – den Mystery Man. Also, erst mal schrieb ich mit ihm und wir schickten uns, na ja, wir schickten uns auch Bilder hin und her. 

Ich bekam immer mal wieder Schweißausbrüche, was dieser M., den ich ja nicht kannte, mit diesen Bildern tun könnte. Ich träumte, dass er mir die politische Karriere versaute, dabei gab es nie Anzeichen einer politischen Karriere.

Und ich fantasierte, dass er Jahre später vor einem Reihenhäuschen in NRW stehen würde, ich wäre verheiratet, hätte ein Kind und er würde mich mit den Bildern erpressen. Ts, Wahnvorstellung … 

Ein fremder Mann vor der Tür und im Bett

Eines Tages war es dann soweit und das Date stand bevor. Meine Freundinnen schimpften wie die Rohrspatzen, was da alles passieren könnte. Ein fremder Mann in meiner Wohnung. Ich dachte, was soll er schon tun? Den Jägermeister austrinken, mit der Gurke wedeln oder die Staubmäsue aus den Ecken holen? 

Sie sagten: Ich solle mich bewaffnen. Also, mit Waffen hatte ich nie was am Hut. Messer unters Bett? Keine Phantasie damals, Villanelle gab‘s noch nicht. Heute hätte ich Ideen. 

Mit einer Freundin, die direkt im Haus nebenan wohnte, verabredete ich einen Geheimcode.

Einmal klingeln: Komm rüber, er ist heiß. Zweimal klingeln: Der Typ ist wahnsinnig. Dreimal klingeln: Ruf die Polizei.

Kommen wir zum Punkt, genau wie beim Sex haben wir auch hier nicht ewig Zeit. M. war kleiner als gedacht, als ich ihm die Tür öffnete. Zuerst war es krampfig, fast ein bisschen schüchtern. Dann wackelte das Bett, der Sex war gut und nach, naja, getaner Arbeit marschierte er aus meiner Wohnung als hätte er mein Fenster repariert. Interessant, dass so was geht, denke ich noch heute. 

Männer gibt’s – lieber schnell nach Griechenland

Ich probierte größere, ältere und jüngere Männer in dieser Zeit. In die älteren verknallte ich mich und sie führten mich an der Nase herum. Ich heulte mir die Augen bei meinem Mitbewohner aus. Die jüngeren, puh, das war mir zu akrobatisch. Beim Sex unter der Dusche dachte ich, gleich kommt der Krankenwagen wegen Oberschenkelhalsbruch, wie peinlich wäre das unter 30.

Es gab Männer, die erzählten nach dem Sex von Waschnüssen, aluminumfreien Deos und von Tapeten, die schädliche Strahlen abhält. Andere entpuppten sich als Top-Gun-Fans, wieder andere ließen mich wortlos in Unterwäsche auf dem Bett liegen.“ 

Als ich die Nase voll hatte, flog ich allein nach Griechenland. Ich fand Urlaub allein sensationell und machte es, wie es mir gefiel. Ich hatte Zeit, die Sonne schien, es war wunderbar. Wenn sich mir auch nur ein Mann näherte, setzte ich mein “Hau-ab-oder-ich-schreie-Gesicht” auf.

You feel it? Write it down!

Ich fing an, all diese Geschichten über Männer und Bettgeschichten aufzuschreiben. Auf Papier. Eine nach der anderen. In krakeliger Schrift. Sie waren lustig, ja, aber einige verletzten mich auch. Ließen mich zweifeln und gaben mir das Gefühl, nicht richtig zu sein. 

Denn Hand aufs Herz: Es waren alles Versuche, die Liebe zu finden. Den einen, den einen oder keinen. Dann vergaß ich die handgeschriebenen Zettel  im Hotel. Vielleicht hatte das Zimmermädchen Spaß damit. Bis heute denke ich daran.

Mein Fazit aus dieser Zeit: Ich probierte aus und genoss das Leben in vollen Zügen. Aber ich ließ niemanden richtig nah an mich heran. Ich hatte Angst vor den großen Gefühlen. Vor Zärtlichkeit, Berührung, Verbindlichkeit. Das hätte ich nicht hinbekommen. So war es einfacher, unverbindlich. Aber auch verletzend.

Dann kam Berlin – und der frische Schlüppi

An einem Wochenende in Berlin mit den besten Freunden, die man haben kann, stürzte ich ab. Ich traf den Freund eines Freundes einer Freundin, wir kannten uns, es klickte, wir tranken. Ich ging mit ihm, statt mit den Freunden nach Hause. Ich war sehr betrunken.

Am nächsten Morgen hatte ich ein mulmiges Gefühl. Irgendwas war komisch. Als ich bei meiner Freundin klingelte, nutzte diese die famosen und seitdem gerne zitierten Worte:

„Jetzt machst du dir erstmal nen frischen Schlüppi und dann sieht die Welt schon wieder anders aus.“

Das tat ich. Ich verstand erst Jahre später, was passiert war. Mit Hilfe von Sophia Hoffmanns Text, den sie damals auf Edition F veröffentlichte. Ich redete nie darüber. Sophia war nach einer Party mit einem Mann nach Hause gegangen. Sie war betrunken, er tat Sachen, die nicht in beiderseitigem Einvernehmen geschahen. Sie dachte lange, es wäre ihr Fehler gewesen, sie war ja betrunken. 

Die großartige Sexbloggerin Theresa Lachner erinnerte mich in der aktuellen Podcastfolge daran. Buuum, wie ein Boomerang kam alles zurück. Wieder schwieg ich, aber mein Kopf ratterte. 

Warum denken Frauen immer, dass sie selbst schuld sind?

Ich verstand irgendwann. Obwohl ich diesen Mann entfernt kannte und er eben der beste Freund des Freundes einer guten Freundin war, waren dennoch Sachen passiert, zu denen ich nicht einwilligen konnte, weil ich betrunken war. Vielleicht hatte ich auch was im Glas gehabt, wer weiß. 

Aber auch ich dachte: Mist, du bist selbst schuld. Mach keine große Nummer draus.

Das erschreckende war: Ich habe es erst viele Jahre später richtig verstanden. Ich habe es weggeschoben. Auch als ich den Mann wieder traf, habe ich nichts gesagt. Was hätte ich auch sagen sollen, damals mit Baby in der Trage und Mann daneben: “Du, ich glaube damals, in dieser Nacht in Berlin, da ist dein Penis irgendwie in mich reingerutscht und ich habe es gar nicht richtig mitbekommen. You remember?” 

Kein Schaden – aber viele Learnings

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich von dieser Nacht einen Schaden davongetragen habe, finde aber es lohnt sich, über die Sache mit dem Schweigen und der Schuld nachzudenken. 

Und auch hier greift der Gedanke von PersonaliytMag: Geschichten teilen, damit andere ihre eigene Geschichte begreifen, sich nicht verrückt fühlen und verstehen, ich bin mit dem was ich erlebt habe, nicht allein. 

Das Chaos gehört zu meinem Leben dazu. Der gute Sex, der schlechte Sex, die verrückt-lustigen Geschichten, die vielen Dates, die durchtanzten Nächte, die Learnings und auch die Erlebnisse, die wir nicht nochmal brauchen und die uns zum Nachdenken bringen.

Wie gut, dass ich irgendwann gelernt habe, die großen Gefühle zuzulassen, und ein Mann in mein Leben zog, mit dem alles leichter wurde. 

Und wie gut, dass der meine deutschen Texte nicht liest. 😉 Denn kleine Geheimnisse sind gut für die Beziehung. Und fürs Bett.

Alles Liebe,
eure Simone

Titelbild @ Anna Lena Duschl


Kategorien Kolumne

Simone ist Mama eines kleinen Jungen, leidenschaftliche Yoga- und Meditationslehrerin, Podcast-Gastgeberin, freie Autorin und PR-Beraterin und ihre große Liebe ist das Schreiben. Sie ist verantwortlich für alle Inhalte und Texte bei PersonalityMag.

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