Martyna Febre im Interview

Interview Martyna Febre: Sollte Yoga politisch sein?

Wir haben uns in der Redaktion eine Frage gestellt: Sollte Yoga politisch sein oder ist das gar nicht seine Aufgabe? Gefragt haben wir die von uns sehr geschätzte Senior Jivamukti Teacherin Martyna Febre aus Berlin.

Martyna, ist Yoga deiner Meinung nach politisch und wenn ja, warum?

Yoga ist eine Praxis, die uns hilft besser in Verbindung zu treten und uns wieder als Teil von allem und alles als Teil von uns zu sehen. Sobald die Trennung zwischen dem Individuum und der vermeintlichen „Außen“- Welt dünner wird, betrifft uns alles. Und unsere Umwelt, unser politisches Umfeld und all unsere Mitlebewesen gehen uns direkt an. 

Sollten Yogalehrer:innen in diesen Zeiten eine klare politische Stellungnahme beziehen?

Ich habe mich offensichtlich dafür entschieden das zu tun, habe aber durch Anfeindungen, das Absagen von Privatstunden etc. auch die Kehrseite davon erfahren. Da ich persönlich das Interesse an Lehrenden, die sich nicht auch außerhalb ihrer Yogaklassen für ihre Ideale einsetzen verliere, habe ich beschlossen, keine Angst davor zu haben zu polarisieren, unpopuläre Meinungen zu äußern oder Schüler:innen zu „verlieren“.

Ich finde nicht dass jede Yogaklasse eine Plattform für die persönlichen Ansichten des Lehrenden ist oder sein sollte, aber ich finde wichtig, dass alle Yogis sich politisch engagieren und somit Yogische Ideale wie Gewaltfreiheit und den Wunsch nach Freiheit und Wohlergehen für -alle- Lebewesen in die Welt tragen. Bleibt dieser Wunsch nur im Yogaraum, wird er zur Floskel. 


Aus welchen Gründen haben sich Schülerinnen getrennt? Weil sie eine andere politische Haltung vertreten oder weil sie von dir als Yogalehrerin keine politischen Äußerungen wollten?

Ersteres. Aber das sind natürlich die negativen Einzelfälle, die besonders im Gedächtnis bleiben. Tatsächlich habe ich in den Stunden auch sehr viele positive Rückmeldungen bekommen.

Ich glaube, Yogaschüler:innen sehnen sich am Ende nach Authentizität. Sogar wenn das dazu führt, dass man vielleicht hin und wieder aneckt. 

Warum ist es wichtig, dass das Weltgeschehen auch in den Yogaraum getragen wird?

Weil Yoga sonst weltfremd und elitär wird. Und es sollte das Gegenteil sein: inklusiv und mitten in der Welt und im Leben. Yoga sollte dabei helfen das Weltgeschehen in positiver Weise zu beeinträchtigen.

Wenn die Yoga Praxis irgendwann nur noch auf kalorien- zählende Selbstoptimierung ausgerichtet ist, hat sie ihren Punkt völlig verfehlt und ihre Seele verloren.

Die Seele von Yoga ist das Zurückfinden zu Einheit und Verbundenheit mit allem und der daraus resultierenden Einsicht, dass jedes Leben und jedes Wesen heilig und schützenswert ist. 

Kann Yoga nicht auch der Raum sein, in dem wir alles andere einmal vergessen?

Das kann er! Und soll es auch. Ich finde, idealerweise kann Yoga der sichere Raum für alles sein: Trauer, Freude, vielleicht manchmal „nur“ Bewegung, Aktivismus, … alles. Ich habe öfter Āsana Klassen für Tierrechts-Aktivist:innen unterrichtet und für die war das tatsächlich als „Ausszeit“ gedacht und dafür die eigenen Akkus wieder aufzuladen.

Ich verstehe auch das Konzept „Retreat“ nicht als ausklinken oder sich vor der Welt verstecken, ich verstehe es eher als eine Art Rückzug, um sich aufzuladen um dann umso tiefer ins Leben einsteigen zu können. Mitgefühl und Verbindung muss erst zu sich selbst hergestellt werden, um es dann auch auf andere ausweiten zu können.  

Allerdings ist der zweite Teil von dieser Aussage extrem wichtig, weil „Selfcare“ (was ich noch immer als Yoga Un- Wort empfinde) oft in Egoismus stecken bleibt, da die „care“ sich nicht mehr auf andere ausweitet. 

Warum empfindest du Selfcare als ein Wort, das nicht ins Yoga passt?

Das ist glaube ich nur meine eigene Macke :) Ich kann selfcare und me-time nicht mehr hören, auch wenn ich glaube, dass beides, wenn es denn richtig verstanden wird, wichtig ist. Aber ich denke dabei immer an Maniküre, mit Yogamatte unter dem Arm und grünem Smoothie in der Hand.

Meiner Ansicht nach, ist Yoga weniger romantisch und auch teilweise weniger bequem: es ist die Auseinandersetzung mit sich selbst und Heilung.

Ich glaube, ich würde Selfrepair besser finden. Vielleicht Selfrepair und quiet time.


Vielen Dank für das Interview!

Über Martyna Febre:

Martyna Febre ist Advanced Certified Jivamukti Yogateacherin, Ausbilderin und Mama eines Sohnes aus Berlin. Martyna bewegt durch ihren veganen und aktivistischen Lebensstil. Sie praktiziert Yoga seit sie 18 Jahre alt ist und hat in der Jivamukti-Methode ein zuhause gefunden. 2011 hat sie das Jivamukti Yoga Teacher Training in Rhinebeck, New York, bei ihren Lehrern Sharon Gannon und David Life abgeschlossen und machte anschließend ihr Apprenticeship bei ihrem Mentor Petros Haffenrichter.

Titelbild @ Lena Fingerle & Katja Kuhl


1 Kommentar zu “Interview Martyna Febre: Sollte Yoga politisch sein?

  1. Ich möchte eine Yogaschule besuchen. Schön zu lesen, dass hier auch eine Trennung zu außen besteht. Eventuell kann ich dann auch eine Lehrausbildung zum Yogalehrer machen.

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