Arbeit ist das halbe Leben – allein, schon deshalb sollte es so angenehm wie möglich sein, oder? New Work ist in den letzten Jahren zum Buzzword von Google bis Trivago geworden, doch was verbirgt sich eigentlich dahinter. Wir haben mit Autorin, New Work-Expertin und Gründerin von betterplace.org Joana Breidenbach gesprochen und euch die wichtigsten Tipps zusammengetragen.
New Work – Wer hat’s erfunden?
New Work, das bedeutet zum einen mehr Freiraum im eigenen Job. Es bedeutet Umdenken, anders machen und neu erschaffen. Es geht um Freiheit, Selbstständigkeit und gleichberechtigte Teilhabe. Der Begriff geht zurück auf den Philosophen Frithjof Bergmann, der sich bereits in den 70er Jahren mit einem Theoriekonzept der Arbeit befasst hat. Heute umfasst der Begriff alles, was Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung ausmacht.
Der mittlerweile 90-jährige Frithjof Bergmann spricht in seinem Buch von der „Armut der Begierde“. Die Unfähigkeit der Menschen, Wünsche zu äußern und eigene Projekte zu realisieren. Wir klammern uns an Jobs, die zum einen unseren Lebensunterhalt, aber auch so etwas wie den Platz in der Gesellschaft sichern. Daran halten wir fest, auch wenn der Job uns nicht erfüllt. Laut dem Autor und Philosophieprofessor, der in Princeton, Stanford, Chicago, Berkeley und Ann Arbor lehrte, sollen wir uns mehr auf das besinnen, was wir „wirklich, wirklich wollen“ und zu kreativen Strategien der Umsetzung finden.
Was steckt dahinter?
Was wir an New Work so lieben? Es stellt die Potentialentfaltung jedes einzelnen in den Mittelpunkt. Es geht um Arbeit, die im Dienst des Menschen steht. Das heißt zum einen: Wir leben, nicht nur um zu arbeiten. Wir arbeiten aber auch nicht, um zu leben. Es geht um die Vereinigung beider Bereiche. Weg mit der Work-Life-Balance, her mit Work-Life-Blending. Es ist ein Sammelbegriff, der alles vereint, wenn es um zufriedene und sinnstiftende Arbeit geht. Weg mit alten Hierarchien, her mit Vertrauensarbeit. Das beinhaltet auch die Frage, wie wir es schaffen der Arbeit einen höheren Zweck zu geben.
Zu New Work gehört der Abbau von Hierarchien genauso wie der innere Wandel jedes einzelnen Mitarbeiters. Das Thema Co-Working gehört dazu – in Räumen und Gemeinschaftsbüros, die zu Orten der Begegnung werden, wie bei Flora & Fauna in Düsseldorf. Und es geht um Gesundheit die eine zentrale Rolle im Arbeitsumfeld einnimmt. Die Vorsorge für Gesundheit ist keine individuelle Aufgabe mehr, sondern wird vielmehr zur Führungsaufgabe. Denn gesunde und glückliche Mitarbeiter kommen gerne zur Arbeit und helfen dem Unternehmen zu wachsen. Und natürlich Diversity, auch darüber habe ich mit Mavie John im Podcast gesprochen. Wir alle wachsen daran, wenn wir so divers wie möglich zusammenarbeiten. Das betrifft Alter, Herkunft, Background und Qualifikation. All das verändert grundlegend die Art der Zusammenarbeit. Es wird flexibler und agiler, denn agile Unternehmen sind leistungsstärker. Und es geht um Empowerment – andere dazu befähigen autonom und selbstbestimmt zu arbeiten. Kritik gibt es nur an der Sache. Im Vordergrund steht, das jeder einzelne eine Quelle an Inspiration ist.
Neu arbeiten ist kein einzelnes Projekt oder ein Prozess, es ist eine Frage der Haltung und der Kultur und bei allen Veränderungen im Außen muss eines mitbedacht werden: die innere Haltung der Mitarbeiter. Joana Breidenbach und Bettina Rollow sagen: “Jede äußere Veränderung von Strukturen und Prozessen muss notwendigerweise von einer inneren Transformation begleitet werden.” In ihrem Buch New Work needs Inner Work geht es insbesondere um die innere Innovation von Teams. Ich habe Joana Breidenbach zum Gespräch getroffen:
Kurz-Interview mit Joana Breidenbach
Liebe Joana, wie beschreibst du jemandem, der noch nie von New Work gehört hat, worum es sich dabei handelt?
Um in unserer zunehmend komplexen und unsicheren digital-globalen Welt wirksam zu arbeiten, müssen wir unsere Organisations- und Führungsformen verändern. Die im Industriezeitalter entwickelten starren hierarchischen Strukturen sind zunehmen ungeeignet, um schnell und effektiv auf Veränderungen und Krisen einzugehen. Deshalb müssen Organisationen mehr denn je das gesamte Potential ihrer Mitarbeiter nutzen. New Work ist für uns, wenn Entscheidungen im Unternehmen dort getroffen werden, wo die meisten relevanten Informationen und Kompetenzen liegen. Das heißt Macht und Verantwortung wandert von der Führungsspitze ins gesamte Unternehmen, neue Formen der geteilten Führung und Zusammenarbeit entstehen.
Wie bist du mit dem Thema in Berührung gekommen und wie sieht deine Beschäftigung damit aus?
Ich habe mich selbst 2015 als Chefin meines Unternehmens, des betterplace Lab, zurückgezogen und statt dessen eine radikale Form der Selbstorganisation eingeführt. Im Laufe der letzten Jahre habe ich selbst sehr viel über Agilität und Selbstorganisation gelernt und dieses Wissen in Form des Buches New Work needs Inner Work (mit Bettina Rollow, 2019) weitergegeben.
Warum braucht jede äußere Veränderung von Strukturen auch einen inneren Wandel?
Wir sehen, dass die meisten Organisationen und Unternehmen unter Agilität und New Work meistens nur strukturelle Veränderungen fassen. Also reduzieren sie Hierarchien und entwickeln neue, flexiblere Prozesse. Aber äußere Transformation hat immer auch eine innere Seite, d.h. wir brauchen neue innere Kompetenzen, um mit den neu entstehenden Freiräumen, aber auch mit mehr Verantwortung und Innovationsdruck umzugehen und diese positiv zu gestalten.
Womit beschäftigt sich das Buch New Work needs Inner Work, dass du zusammen mit Bettina Rollow geschrieben hast?
Alles äußere hat auch ein inneres. Auch in einer Bürokratie arbeiten Menschen, die bestimmte Werte, Bedürfnisse, Haltungen und Interessen haben und die zur Organisationsform wenigsten halbwegs passen müssen, damit die Mitarbeiter ihre Arbeit gut und gerne tun. Je freier und flexibler die Organisationsform, desto weniger äußere Strukturen und Prozesse wird es geben. Aber da wir Menschen unsere Sicherheit und Orientierung aus Strukturen beziehen, müssen wir – wenn sie im außen abgebaut werden – im Inneren aufbauen. D.h. Menschen müssen sich selbst besser kennen, sich in sich orientieren lernen, wissen, was ihnen wichtig ist, was sie brauchen, was sie motiviert, wieso sie in bestimmten Situationen so und nicht anders reagieren. Zudem ersetzt in selbstorganisierten Unternehmen eine gute und offene, und auch kritische Kommunikation die reduzierten Strukturen. Ohne feste Prozesse muss ich in der Lage sein mich situativ und konstruktiv mit Kollegen über Themen zu einigen, Entscheidungen zu fällen, Konflikte zu lösen. Das alles braucht konkrete Kommunikationskompetenzen, wie Empathie und gutes Feedback.
Wie hat sich dein eigenes Arbeiten durch die Beschäftigung mit New Work und dem Schreiben des Buches verändert?
Ohne es geplant zu haben ist New Work seitdem zu einem meiner Arbeitsschwerpunkte geworden. Ich dachte, ich schreibe nur ein Buch. Doch inzwischen halte ich viele Vorträge, machen wir einen Online-Kurs, geben Webinare usw. zum Thema. Dabei lerne ich immer weiter, denn die neuen Arbeitsformen sind ja gerade erst am Entstehen und ich finde es super spannend zu sehen, wie sie sich jetzt auch unter Covid verändern.
Wie arbeiten wir deiner Meinung nach flexibel, erfüllt und Sinn stiftend?
Wenn wir wissen, wer wir sind und warum wir etwas machen, dann kann Arbeit sehr bereichernd sein. Es ist wichtig, dass die Werte des Unternehmens mit meinen persönlichen im großen und ganzen übereinstimmen und das mir der Arbeitsplatz sowohl ausreichend Sicherheit, als auch den Freiraum für Entfaltung und Selbstausdruck gibt.
Was also ist New Work? Für uns ist es eine Welt, in der du arbeitest, dich persönlich entfaltest, wenn du es möchtest und dich verwirklichst. New Work ist Persönlichkeitsentwicklung. Und dazu gehört auch sich selbst zu fragen: Wie arbeite ich eigentlich? Wie arbeite ich erfüllt? Und was brauche ich, damit sich meine Arbeit erfüllend anfühlt?
Buchtipps:
New Work New Culture von Frithjof Bergmann
Flow von Mihaly Csikszentmihalyi
New Work needs Inner Work von Joana Breidenbach und Bettina Rollow
Brave New Work von Aaron Dignan
Wer sich näher mit dem Thema auseinandersetzen möchte, findet auch im Podcast On the way to New Work von Michael Trautmann und Christoph Magnussen viel Input.
Titelbild @ Nils Hasenau
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