In unserer Rubrik „Zack, erleuchtet“ laden wir jeden Monat eine Coachin ein. Lisa Burzin ist dreifache Mutter, Womens Health Coach, Doula und Yogalehrerin. Sie nimmt uns mit in ihren Alltag und lädt uns dazu ein, unsere Definition vom Muttersein zu überdenken.
Ein brodelnder Suppentopf steht auf dem Herd, das Kleinkind hat sich gerade böse den Kopf gestoßen und dann tönt es aus dem 2. Stock: „MAAAAAAMMMAAAAAAA!!! Ich bin fertig mit KAAAAKAAAA!“
Ich schultere das schluchzende Kind und mache mich auf nach oben.
Unterwegs lesen wir einen Berg Wäsche, gestern Abend um 23.45 Uhr fleißig gefaltet, zwei Malblöcke, ein Federmäppchen und eine frische Zahnbürste auf.
Ich klemme es unter den Arm, zwischen die Zähne und wo sonst noch Platz ist.
Auf der 14. Treppenstufe zappelt mein schluchzendes Kind, sodass ich es mit beiden Händen festhalten muss und die Wäsche verliere.
Wegen der Zahnbürste im Mund kann ich nicht schimpfen. „MAAAAAAAMAAAAAAAA!!!!!!! Ich bin fertig!!!!!“, quengelt es von oben.
„Ich da wieder runter will! Allein lauf“, quengelt die Zappelnde.
Die Töpfchensitzerin bekommt einen Wutanfall, die Verunglückte hat noch AUA.
Endlich oben angelangt, stelle ich fest: Das Klopapier ist alle. Klar.
Ich lasse die zwei schluchzenden Kinder zurück, fliege die Treppe runter bis in den Keller, bei Stufe 14 gehe ich leicht in die Knie, um mit einem verlängerten Inspektor Gadget-Arm, die wieder zerknüllte Wäsche aufzusaugen und beim Vorbeischießen in den Wäschekorb zu werfen.
Hach, so schön still im Keller. Die Buntwäsche schmeiße ich noch schnell in die Waschmaschine, die Hose brauch ich morgen. Ach ja, und die Handtücher in den Trockner. Fertig. Keller erledigt. Zurück im 1.Stock, was riecht hier so?
AAAAAAAAHHHHHH, die Suppe verbrennt!
Was schreit da so?
Die Kinder sitzen ja noch im Bad! Herd aus. Zu Kindern hoch.
Die streiten inzwischen um mein neues Lipgloss, der im hohen Bogen auf die Kacheln fliegt und in tausend Teile zerspringt. Das Gloss verteilt sich geschmeidig auf den Kacheln.
Die Kinder heulen.
Und ich habe das Klopapier im Keller vergessen.
Köpfchen streicheln, ist nix passiert, nicht so schlimm.
Scherben aufwischen. Gloss mach ich später.
Ich fliege zurück in den Keller, nehme auf den Weg dorthin die Teetassen und die Zeitung vom Morgen mit, plus fünf dreckige Socken und meine Skizzen für die Präsentation morgen.
Im Erdgeschoss alles an seinem Platz.
Mist, da ist mir doch glatt Tee auf die Skizze geschwappt. Was wollte ich hier noch mal ?
Ach ja: Keller, Klopapier.
Ich komme im 2.Stock mit Klopapier an. Die Kinder sind nun von oben bis unten mit Scherbengloss eingeschmiert und glücklich.
Puh.
Da tönt eine Männerstimme aus der Toilette im Erdgeschoss:
„LISAAAAAAAAAAAAAA!!! Das Toilettenpapier ist aaaaaalle!!!!“
Acht Jahre später – ein Kind und ein Hund mehr
Ich habe gelernt. Nicht nur noch zu reagieren, sondern zu agieren. Prioritäten zu setzen und das große Ganze im Blick zu behalten. Dazu gehören Organisation, Geduld, aber auch mal ein „Nein“.
Und dazu gehört es auch, Raum für sich selbst zu halten und ganz besonders sich vom eigenen Perfektionismus zu lösen. Es gibt nicht immer das nährstoffreiche warme Abendessen. Das Kochen übernimmt meistens mein Mann. Unsere Treppen sind mit allerlei Klamotten und anderem Zeug voll gestapelt. Toilettenpapier auffüllen ist als Hausarbeit eingeteilt (funktioniert mal mehr und mal weniger). Ich handele nicht immer pädagogisch wertvoll. Ich habe nicht immer für alle Zeit. Aber ich sehe meine Kinder. Ich sehe sie – UND mich!
Nur wenn ich mich selbst wertschätze und mich um sich selbst kümmere, kann ich auch für alle anderen da sein. Dieses einfache Prinzip kennen wir aus dem Flugzeug: „Setzen sie sich erst selbst ihre Sauerstoffmaske auf, bevor sie Kindern und Mitreisenden helfen!“
Und wenn dir das egoistisch vorkommt, dann solltest du deine Glaubenssätze noch einmal überdenken. Denn was bedeutet „Mutter sein“ für dich? Und gibt es da nichts zwischen Egoismus und Selbstaufgabe? Die eigene Balance und die eigene Wahrheit finden, zum Beispiel. Denn so, wie jedes Kind eine eigene Sprache spricht und Bedürfnisse hat, so ist jede Mutter anders.
Mit der Geburt des Kindes wird auch eine Frau als Mutter geboren. Und genau wie ein Kind laufen und sprechen lernen muss, lernt eine Mutter jeden Tag etwas Neues dazu. Immer bei sich und seiner Intuition zu bleiben, sich nicht von Glaubenssätzen und dem Außen diktieren zu lassen, ist nicht einfach. Aber man wächst daran, mehr als man je zu träumen gewagt hat.
Über Lisa Burzin:
Lisa Burzin ist Women’s Health Guide und dreifache Mutter. Sie hilft anderen Frauen dabei, ihr Gleichgewicht zu finden. Der Ansatz ist immer ganzheitlich, Lisa erstellt individuelle Pläne für Körper und Seele. In einem Online-Programm hat sie ihr Wissen als zertifizierte Yoga & Pilates-Lehrerin, GfG geprüfte Doula und Spezialistin für Frauengesundheit zusammengebracht. Lisa lebt in Lissabon und betreut Frauen vor Ort und weltweit.
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