Simone Lopez-Sanchez über Mut

KOLUMNE #embracethechaos – Wer sagt, was Frauen zu tun haben?

Simone fragt sich, wer eigentlich bestimmt ob, ab wann und wieviel Mütter arbeiten sollen? Egal wie wir entscheiden, es ist eh nie richtig. Immer will man uns anders haben. Was das Ganze mit einem Emirati, dem Housewife-Moment, gesellschaftlichen Bildern, anderen Müttern und alten Familientraditionen zu tun hat und warum wir am Ende am besten immer selbst entscheiden, gibt’s im Text.

Ich habe alles im Griff. Zumindest den der Kommode, der ist gerade abgefallen. Sonst nicht so viel, denn ich bin Mutter, ich arbeite gefühlt 24/7, ich bin umgezogen, versuche alles, was eine Familie so braucht auf die Reihe zu bekommen und vieles richtig zu machen. Gerade sitzt das Kind neben mir und schaut Fernsehen. Schon dafür komme ich ins Gefängnis. Medienkonsum bei Kindern ist heute gefährlicher als ein Schimmelpilz. Nein, ich versuche nicht mehr alles richtig zu machen. Bei allen Aufgaben, die mir zu fallen, wie der Goldmarie die Münzen, kann ich nicht alles richtig machen. Das steht fest. Ich versuche vielmehr die Ruhe zu bewahren. Ok, diese Woche hatte ich einen Moment, in dem ich laut durchs Haus rief: „Ich habe keinen Bock mich immer, um alles zu kümmern.“

Selfcare-Time ade

Diese Woche habe ich mich außerdem ernsthaft gefragt, wie Frauen das alles machen sollen. Also, den Job, die Wäsche, das Eheleben, die Anrufe, die Mails, die Familie, das Haus, die Wohnung oder den Garten. Ich war seit 1 Jahr nicht mehr beim Frisör. „Oh du hast aber lange Haare bekommen“, sagten viele. Ja, so sieht’s aus, wenn sie ein Jahr oder länger nicht geschnitten werden. Ach ja, und seit 3 Jahren nicht mehr beim Frauenarzt. Eine Freundin sagte neulich, ich erfahre, was bei dir los ist, wenn ich die Kolumne lese. Zum Telefonieren schaffen wir es nicht. Ich habe allerdings auch einen an der Waffel – ich plane immer noch mit 8-Stunden Arbeitstagen, obwohl es die seit 4 Jahren nicht mehr gibt. 

Mir ist es wichtig unabhängig zu sein, mein eigenes Ding zu drehen und als Frau mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Ich setze mich sehr wohl mit der Frage auseinander, was ich später an Rente bekomme, als auch mit der Tatsache was wäre, wenn mich mein Mann verlassen würde. Und ich möchte zu unserem Leben einen finanziellen Teil beitragen. So wie ich möchte, dass wir in anderen Bereichen gleichberechtigt aufgeteilt sind.  Im Vergleich zu jemanden mit Festanstellung und Verbeamtung wäre ich semi-überlebensfähig. Im Vergleich zu Geringverdienern geht es mir natürlich gut, aber selbstständig sein und freelance arbeiten bedeutet auch – mal ist Ebbe, mal ist Flut. Man geht mit den Gezeiten. 

Moment mal, liegt alles bei mir

Bei all den Diskussionen über berufstätige Mütter, die wir sein sollen und wollen, die nebenbei Care-Arbeit und die Familienorga übernehmen, frage ich mich aber doch, wo wir selbst bleiben. Selbst, wenn man es ganz doll will und wirklich ein Auge darauf hat, es ist ein Drahtseilakt. Nicht umsonst sind Mutter-Kind-Kliniken in Deutschland überfüllt mit gestressten Müttern. Ich gehöre nicht zu denen, die es als Aufgabe der Gesellschaft versteht, dass ich glücklich bin. Nein, das ist mein Bier. Aber die Bedingungen für Mütter, die sollten schon da sein und das gesellschaftliche Bild, das sollte sich ändern. Das Mutterschutzgesetz gilt zum Beispiel nicht für Selbstständige. Und es ist bei uns nicht wie in Frankreich, wo jede Mutter ganz automatisch nach drei Monaten in den Job zurückkehrt. In Deutschland haben Kinder erst ab einem Jahr Anspruch auf einen Kita-Platz. Ich finde die Diskussion, die wir um Care-Arbeit und um Mental Load führen darum wichtig. Gerade das Mental Load Thema hat dazu geführt, dass viele Frauen realisiert haben: Moment mal, das liegt ja alles bei mir. Das heißt aber nicht, dass man deshalb direkt den Mann verlassen sollte. 

Jedes Mama-Modell ist machbar

Du bist Mutter von drei Kids und willst erst mal nicht arbeiten? Weil es geht, die Familienverhältnisse stimmen und es sich gut anfühlt? Why not? Du hast das 2. Kind bekommen und möchtest ein Jahr entspannte Elternzeit – gönn dir. Ich finde jedes Mama-Modell ist machbar. Und ich finde es wichtig, dass wir Verständnis für unterschiedliche Entscheidungen haben. Aber ich glaube auch daran, dass wirkliche Unabhängigkeit mit finanzieller Selbstständigkeit einhergeht und die ist nun mal ans Arbeiten gekoppelt. Ach so, oder an Erbe, Lottogewinn oder Banküberfall. Wer also zuhause bleibt und nach 5 Monaten meckert und unzufrieden ist, der ist vielleicht nur mit Windeln und Familienwäsche nicht glücklich. Und merkt auch, das ist nicht der wahre Jakob. Dann gilt: einfach ändern, oder? Und wer nach Trennung des Partners über 5 Jahre nicht mehr im Job war – ja, das könnte schwierig werden. 

Mein Housewife-Moment

Ich muss bei alldem immer an meinen Housewife-Moment denken. Ich bin mit meinem Mann für zwei Jahre nach Dubai gegangen. Vielleicht habe ich damals kurz gedacht, dass wird ein angenehmes Leben, weil ich weniger arbeiten muss. Ich habe dort zwei europäische Kunden freelance betreut und in einem Yogastudio gearbeitet. Das Visa, um dort zu leben, hätte über das Yogastudio kommen können (das hätte mich Geld gekostet) oder über meinen Mann. Aus Geldgründen und Faulheit entschied ich mich für letztere Variante. Ich war kurz davor den Emirati, der mir den Pass aushändigte, auf dem in fetten Lettern „Housewife“ prangte zu erschlagen.

Ich war so sauer – auf mich, auf die Entscheidung und auf meinen fehlenden Mut, es anders zu machen. Obwohl es nicht der Realität entsprach, denn ich arbeitete ja, bin ich nicht damit klargekommen in diesem Land eine Housewife zu sein. Ich habe es gehasst. Ich habe mich zwei Jahre innerlich damit beschäftigt und habe mich herabgesetzt gefühlt. Für viele Expat-Wifes war es normal, ich fand es furchtbar. Für mich war klar, dass will ich nie wieder. Ich habe für mich rausgefunden und das trifft auf fast alles zu: Der angebliche bequemere und einfachere Weg, ist nie der Bessere. Es lohnt sich, einen eigenen kleinen Berg zu erklimmen.

Warum lässt man Frauen nicht einfach machen?

Ich glaube, die Diskussion rund um berufstätige Mütter, wieviel und wie wenig sie arbeiten, sie ist individuell, auch weil jede Mutter anders ist. Und jedes Kind und jede Familienstruktur – es gibt nicht das eine Modell, nach dem alle zu ticken haben. Aber es gibt uns, als Mütter und Frauen mittendrin, die entscheiden können, wie es aussehen soll. Oder die einfach ausprobieren, wie es gut funktioniert. Genau dieses Entscheiden und für uns einstehen, ist wichtig. 

Ich erinnere mich daran, dass die Frau meines Cousins nach drei Monaten Elternzeit beim dritten Kind wieder arbeiten ging. Das war Thema in der Familie. Man empfand es als zu früh. Ich fand es nicht zeitgemäß, warum ist sowas noch Thema? Warum lässt man Frauen nicht einfach machen? Warum soll alles so sein, wie es früher einmal war? Menschen tendieren dazu, genau das zu tun, was ihre Eltern oder das Familienkonglomerat getan haben. Ich stelle lieber in Frage, warum etwas getan wird, und mache es andersherum. Bei manchen Dingen stelle ich fest, lohnt sich nicht (ok, Weihnachten und ein gewisses Maß an Ordnung haben eine Berechtigung), bei anderen bin ich sehr froh, es anders gemacht zu haben (zur Therapie gehen). Die Moderatorin Laura Karasek teilte diese Woche auf LinkedIn, was eine andere Mutter zu ihr sagte: „Für eine Mutter bist du aber ganz schön viel unterwegs! Wieso hat man überhaupt Kinder, wenn man so viel arbeitet?“ Sie erklärte, dass sie ihre Kinder nur als Statussymbol und für Social Media habe. What the f***? Warum fragen anderen Mütter sowas, was läuft da fasch?

Alles hat seine Zeit

Habe ich gerade das Gefühl, dass es bei mir gut läuft? Ein ausgewogenes Verhältnis aus Freizeit und Arbeit? Nein. Zeit für mich und den Partner? Nein. Immer entspannt und verständnisvoll mit dem Kind, den Stress wie eine Kuchenplatte auf dem Kopf balancierend fröhlich durch die Gegend flötend? Neeiiin. Aber, ich habe verstanden, dass alles seine Zeit hat und dass es Phasen gibt im Leben. Und dass ich, nur ich, für mich und mein Glück verantwortlich bin. Aktuell hadere ich damit, dass ich von den Dingen, die ich liebe, Schreiben und Yoga, nicht (über)leben kann. Ich bleibe trotzdem dabei, weil ich glaube, dass es sich lohnt, dass zu tun, was wir lieben. Ich spüre das im Herzen. Solange mich also für das, was ich liebe, keiner anständig bezahlt, freelance ich weiter als Beraterin. 

Als mir die Kindergärtnerin beim Abschlussgespräch für meinen Sohn unter anderem erzählte, dass er sich in die Bücherecke zurückzieht, wenn ihm mal alles zu viel wird, dachte ich, wie geil, dass er das schon kann. Das ist so viel wert. Und wo ist hier im Haus eigentlich Platz für eine Bücherecke?

Zum Entspannen für Mama natürlich. 

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1 Kommentar zu “KOLUMNE #embracethechaos – Wer sagt, was Frauen zu tun haben?

  1. Julia Müller

    Liebe Simone, du schreibst mir aus dem Herzen…! Danke dafür.

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