Simone in ihrer Kolumne #embracethechaos über Spiritualität

KOLUMNE #embracethechaos: Spiritualität, wo bis du hin?

Die Sache mit der Spiritualität ist die: Zwischen tausend Mama-Todos und dem Job, zwischen Wäsche und Wocheneinkauf, Wutanfällen und Wünschen entwischt sie einem. Aber sie ist da, wenn wir sie brauchen. Ich habe kurz nachgesehen…

Seit ein paar Monaten frage ich mich, wo ist sie hin, die Spiritualität? Die Anbindung an die guten Dinge, der Glaube an das Höhere? Fast zur gleichen Zeit schrieb mir Sabine, sie hätte den alten Bali-Artikel raus gekramt und fragte sich, warum sie gerade so wenig spirituell inspiriert sei. Oh Gott, haben wir ihn etwa beide verloren, den spirituellen Glauben? Sind wir verloren gegangen zwischen den Kindern, dem Kochen, der Wäsche und den tausend Todos des Magazins?

Mir kommen die alten Bilder in den Sinn. Nur ein paar Monate nach der Geburt meines Sohnes Noah. Da sitze ich im oberen Dachgeschoss unserer alten Wohnung mit einem bunten Wallekleid und schmiere mir die verschiedensten Öle aufs Handgelenk, auf den Kopf und ans Herz. Die Öle nutzte ich immer noch, klar, aber das Kleid hängt im Schrank. Eben bin ich abgehetzt aus dem Haus gestürmt, habe unspirituell die Tür geknallt und nehme mir gerade vor, heute Abend dringend Yoga Nidra zu machen. 

Bin ich das noch?

Als mir die Wallekleider-Bilder neulich in die Hände fielen, fragte ich mich: Bin ich das noch? Simone, bist du da irgendwo auf diesem Bild versteckt? Und auf der Memory Lane durch Hamburg fragte ich mich, ob ich noch die alte Simone bin, die damals durch Hamburg flippte? Irgendwie ja und weder noch. 

Es zeigt, wie oft und wie viel sich verändert. Alles um uns herum und wir selbst verändern uns ständig. Ich mag das, es hält uns frisch und genau das, ist ja das Leben. Ähnliche Zeilen habe ich auch meiner Mutter in ihren Geburtstagsbrief geschrieben: „Mama, das Leben ist jetzt. Leb weiter, mach es dir schön. Ja, Papa ist leider weg, aber er hätte es sich so gewünscht.“ Das ist doch auch spirituell, oder? Andere daran zu erinnern, was wichtig ist, das, was man selbst erlebt hat, weiterzugeben und anderen Zuversicht zu schenken. Auch in der tiefsten Scheiße des Lebens an das Gute glauben. Wichtiger als das bunte Wallekleid oder das weiße Bali-Kleidchen?

Wie spirituell ist meine Beziehung?

Und wie soll ich bitte im langen Kleid dem Kind hinterherrennen, den Müll rausbringen und die Wäsche machen? Das Leben mit Kind fühlt sich gerade sehr funktional und eher wenig spirituell an. Aktuell bin ich mehr die schwarze Hose und das orange-pinke Oberteil, wie ich es beim Fotoshooting mit Sabine getragen habe. Weil ich ein bisschen mehr als die Jahre vorher mein Standing gefunden habe. Weil ich mit jedem Alter etwas mehr weiß, was ich mag und was nicht. 

Statt Freitagabends Öle zu schmieren oder auf Party zu tanzen sitze ich mit einem Tee in der Hand auf dem Sofa und bespreche mit dem Mann ein Kapitel aus „8 Gespräche die Paare führen sollten“, weil ich statt abhauen, meckern oder beenden irgendwann entschieden habe, das ist die Beziehung und das Leben, das ich möchte. Das ist ja eine sehr aktive Wahl, die wir da treffen. Irgendwann war die Frage dran, wie spirituell unsere Beziehung ist? Da haben wir beide gelacht. Ich bin der spirituelle Teil. Dieser Teil von mir ist nur grade im Urlaub, chillt in der Hängematte und lacht über die Simone, die abgehetzt durch die Gegend rennt. 

Momente, die wir nicht erklären können

Und dennoch: Ich verstehe, warum sie damals während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt so präsent war, die Spiritualität. Weil Geburt und Tod, die großen Schwellenmomente im Leben sind (den Begriff hab ich aus der Folge von Hotel Matze mit Marie Bäumer gelernt). Die Momente, die wir uns nicht erklären können. Wie auch? Da flutscht ein Wesen aus einem heraus und man fragt sich, ob man bis dahin überhaupt etwas verstanden hat im Leben? Drei Jahre später läuft das Kind, isst mit der Gabel und erklärt einem, dass die Steinzeitmenschen Mammuts gegessen haben. 

Und ja, als mein Vater starb, hat mir die eigene Spiritualität sehr geholfen. Wahrscheinlich nur die. Ich konnte neben ihm sitzen, ich habe Mantren gesummt, seine Hand gehalten und leise mit ihm gesprochen. Vielleicht hat auch er in dem Moment von meiner Indienreise, dem Ashram und dem ganzen „Yogakram“ profitiert. Das Studium, das er finanziert hat, hat mich jedenfalls nicht gelehrt, mit mentalen Problemen oder dem Tod eines Elternteils fertig zu werden. Wie auch?

Alles verändert sich

So wie sich alles ständig verändert, so ändert sich auch die Einstellung und die spirituelle Sicht. Sie braucht kein Wallekleid, kein Öl oder eine Yogamatte. Genau wie der Glaube, die Kirche nicht braucht. Mit Kindergeschrei und tausend Alltagsaufgaben ist sie allerdings schwer zu kombinieren. Oder sagen wir es so, dadurch vergessen wir sie vielleicht manchmal. Aber einmal mit ihr verbunden, sie ist da, wenn wir sie brauchen. 

Und dann gibt es diese Zeiten, wo wir nochmal so richtig auftanken. Das war damals unsere Reise nach Bali. Dieser Ort schafft das ganz wunderbar. Da stand ich unter dem Wasserfall, dachte an alles was mir lieb ist und ließ mir später eine Mala bei einem Priester segnen und ein Tattoo stechen, damit ich in Deutschland nicht in die Tretmühle gerate und das vergesse, was mir wichtig ist und so geholfen hat. Die Mala? Sie liegt im Grab meines Vaters, denn da gehört sie hin. Er hat sie verdient und brauchte sie für den Übergang. Das Tattoo? Ist da, wo es hingehört. Ich streiche drüber und erinnere mich an all das, was ich bin und noch sein werde.

Sabine, wir sind spirituell. Wir sind nur grad busy. 

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